Der Straftatbestand der Erpressung ist in § 253 StGB geregelt. Gemäß § 253 Abs. 3 StGB ist der Versuch strafbar. Die besonders schweren Fälle der Erpressung finden sich in § 253 Abs. 4 StGB, die Qualifikation der räuberischen Erpressung in § 255 StGB.

Die Erpressung ist eine Form der Nötigung, die gegen die Freiheit der wirtschaftlichen Dispositionen gerichtet ist.1 Der Straftatbestand schützt deshalb sowohl das Vermögen als auch die Willensfreiheit.2        

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung der Erpressung nach § 253 StGB. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zur Erpressung mit Definitionen und Klausurproblemen.

Kurzschema zur Erpressung nach § 253 StGB:

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Nötigungshandlung

a) Gewalt

b) Drohung mit einem empfindlichen Übel

2. Nötigungserfolg: Tun, Dulden oder Unterlassen

3. Umstritten: Vermögensverfügung

4. Vermögensnachteil

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz

2. Eigennützige oder fremdnützige Absicht stoffgleicher Bereicherung

3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung und entsprechender Vorsatz

B. Rechtswidrigkeit

I. Allgemeine Rechtfertigungsgründe

II. Verwerflichkeit nach § 253 Abs. 2 StGB

C. Schuld

D. Strafzumessung: Besonders schwerer Fall nach § 253 Abs. 4 StGB

Ausführliches Schema zu § 253 StGB mit Definitionen und Klausurproblemen:

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Nötigungshandlung

Als Nötigungshandlung kommen die Anwendung von Gewalt oder eine Drohung mit einem empfindlichen Übel in Betracht.

a) Gewalt

Gewalt ist die Entfaltung von – nicht notwendig erheblicher – Körperkraft durch den Täter, die einen unmittelbar oder mittelbar auf den Körper eines anderen wirkenden Zwang ausübt, der nach der Vorstellung des Täters geeignet ist, einen geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden oder auszuschließen.3

Bei der Anwendung von Gewalt gegen eine Person greift allerdings § 255 StGB, der § 253 StGB auf der Konkurrenzebene vorgeht.4

Deshalb bleibt für die Gewaltvariante bei der Erpressung kaum ein Anwendungsbereich.5

b) Drohung mit einem empfindlichen Übel

Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, dessen Eintritt der Drohende als von seinem Willen abhängig darstellt.6

Ein empfindliches Übel ist eine negative Folge von solcher Erheblichkeit, dass ihre Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren.7

2. Nötigungserfolg: Tun, Dulden oder Unterlassen

Das Opfer muss durch die Gewalt oder Drohung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen genötigt worden sein. Erforderlich ist deshalb objektive Kausalität zwischen Nötigung und Erfolg.8    

3. Umstritten: Vermögensverfügung

Es ist umstritten, ob als Nötigungserfolg jedes beliebige Opferverhalten ausreicht9 oder ob eine Vermögensverfügung erforderlich ist.10

Dahinter steht letztlich die Frage, ob die Erpressung ein Selbst- oder ein Fremdschädigungsdelikt ist und wie das Verhältnis zwischen Erpressung und Diebstahl ist. Der Streit ist derselbe wie bei der räuberischen Erpressung, wo er die Abgrenzung zum Raub bestimmt. Ich habe ihn in einem eigenen Artikel zusammengefasst.

4. Vermögensnachteil

Der Nachteil für das Vermögen bei der Erpressung ist gleichbedeutend mit dem Vermögensschaden beim Betrug.11

Ein Vermögensnachteil liegt vor, wenn das abgenötigte Opferverhalten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Vermögens des Opfers führt (Prinzip der Gesamtsaldierung).12

Klausurproblem: Strafrechtlicher Vermögensbegriff

  • Nach dem heute nicht mehr vertretenen juristischen Vermögensbegriff13 ist das Vermögen die Summe der einzelnen Vermögensrechte i. S. d. Rechtsordnung. Dies lässt außer Acht, dass einerseits auch Rechte wertlos sein können und andererseits rein tatsächliche Positionen einen wirtschaftlichen Wert darstellen können.
  • Nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff14 sind nur solche Positionen erfasst, die unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen und nicht rechtlich missbilligt werden.
  • Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff des BGH 15sind hingegen alle wirtschaftlich wertvollen Güter einer Person erfasst. Geschützt ist nach dem BGH z.B. auch das Vermögen einer Terrororganisation.16

Klausurproblem: Vermögensgefährdung

  • Nach h.M. stellt die Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil dar, wenn im Einzelfall durch die Verfügung das Vermögen konkret gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist.17
  • Vom BGH verneint z.B. bei der erzwungenen Abgabe einer Willenserklärung, da sich das Tatopfer in einem solchen Fall der Anfechtbarkeit seiner Willenserklärung bewusst sei. Eine einen Vermögensnachteil begründende Vermögensgefährdung könnte allenfalls durch ein in die Welt gesetztes Beweismittel entstehen (z.B. wenn die Willenserklärung schriftlich abgegeben wurde), aber auch nur dann, wenn zum Tatzeitpunkt konkret mit der Inanspruchnahme durch den Beweisbegünstigten Tatbeteiligten zu rechnen war.18

Klausurproblem: Dreieckserpressung

Bei der Dreieckserpressung sind Genötigter und Vermögensinhaber nicht identisch. Zur Erfüllung des Tatbestandes ist dann ein besonderes Näheverhältnis zwischen Genötigtem und Vermögensinhaber erforderlich.19 

Nach h.M. besteht ein solches Näheverhältnis, wenn der Genötigte schutzbereit auf der Seite („im Lager“) des Vermögensinhabers steht und dessen Interessen wahrnehmen will.20

Beispiele:21

  • persönliche Beziehungen wie Ehe, Lebenspartnerschaft oder Eltern-Kind Beziehung22
  • Angestellter als zur Schädigung des Vermögens seines Arbeitgebers Genötigter.

Eine Parallelproblematik stellt sich beim Dreiecksbetrug. Schau Dir hierzu gerne mein Prüfungsschema zum Betrug nach § 263 StGB an.

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz

2. Eigennützige oder fremdnützige Absicht stoffgleicher Bereicherung

Absicht der Bereicherung meint das Streben nach einem Vermögensvorteil, d. h. nach einer günstigeren Gestaltung der Vermögenslage im Sinne einer Mehrung des wirtschaftlichen Wertes.23

Für die Stoffgleichheit muss die erstrebte Bereicherung unmittelbar aus dem zugefügten Schaden stammen. Der Vorteil muss die Kehrseite des Schadens, nicht das genaue Gegenstück, bilden.24

3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung und entsprechender Vorsatz

Die erstrebte Bereicherung ist rechtswidrig, wenn der Täter auf den Vermögensvorteil keinen Anspruch hat.25

B. Rechtswidrigkeit

I. Allgemeine Rechtfertigungsgründe

II. Verwerflichkeit nach § 253 Abs. 2 StGB

Die Tat ist verwerflich, wenn der Zweck, die Mittel oder die Zweck-MittelRelation verwerflich, d.h. in einem erhöhten Grad sozialethisch zu missbilligen, ist.26 Die Verwerflichkeit muss positiv festgestellt werden.

C. Schuld

Allgemeine Entschuldigungsgründe

D. Strafzumessung: Besonders schwerer Fall nach § 253 Abs. 4 StGB

§ 253 Abs. 4 S. 2 StGB enthält als Regelbeispiele für besonders schwere Fälle die gewerbsmäßige Erpressung und die Bandenerpressung.

Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen will.27

Eine Bande ist ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen.28

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zur Erpressung nach § 253 StGB hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 253 Rn. 1.
  2. BGH, Urt. v. 20.04.1995, Az.: 4 StR 27/95.
  3. MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 9.
  4. MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 9.
  5. Strittig, ob überhaupt ein Anwendungsbereich verbleibt. Dagegen MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 9; dafür Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 253 Rn. 3. Der Streit hat aber eher wenig Klausurrelevanz, weshalb ich ihn hier nicht näher ausführe.
  6. BGH, Urteil vom 19. 12. 1961, Az.: 1 StR 288/61; MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 10.
  7. BGH, Beschl. v. 28.01.1992, Az.: 5 StR 4/92.
  8. BGH, Urt. v. 22.09.1983, Az.: 4 StR 376/83.
  9. so die Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1960, Az.: 5 StR 80/60.
  10. so Teile der Literatur, vgl. u.a. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 253 Rn. 8.
  11. vgl. BGH, Beschl. v. 05.02.1998, Az.: 4 StR 622/97.
  12. BGH, Urt. v. 02.02.2016, Az.: 1 StR 435/15.
  13. RG, Urt. v. 07.07.1884, Az.: 1568/84.
  14. Tiedemann/Leipziger Kommentar StGB, 12. Aufl. 2012, § 263 Rn. 127.
  15. BGH, Urt. v. 08.01.1992, Az.: 2 StR 102/91.
  16. BGH, Urt. v. 11.4.20185 StR 595/17
  17. Beschl. v. 05.02.1998, Az.: 4 StR 622/97.
  18. Beschl. v. 05.02.1998, Az.: 4 StR 622/97.
  19. BGH, Urt. v. 20.04.1995, Az.: 4 StR 27/95.
  20. BGH, Urteil vom 20.04.1995, Az.: 4 StR 27/95; MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 23.
  21. nach MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 23.
  22. allgemein MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 23; für einen Fall der Nötigung eines Sohnes zu Lasten des Vermögens des Vaters: BGH, Beschluss vom 13.05.1997, Az.: 4 StR 200/97.
  23. BGH, Urt. v. 17.10.1996, Az.: 4 StR 389/96.
  24. BGH, Urt. v. 16.06.2016, Az.: 1 StR 20/16.
  25. vgl. BGH, Beschl. v. 02.03.1984, Az.: 3 StR 37/84.
  26. BGH, Urteil vom 10.6.2010, Az.: 4 StR 474/09.
  27. BGH, Urt. v. 16.08.2017, Az.: 2 StR 335/15.
  28. BGH, Beschl. v. 22.03.2001, Az.: GSSt 1/00.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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