Ob eine Kollegialentscheidung in Form der gemeinsamen Abstimmung in einem Gremium zur mittäterschaftlichen Zurechnung des § 25 II StGB führt, ist umstritten.

Beispiel: Die Geschäftsführer eines Konzerns entscheiden durch Abstimmung, ein Produkt auf den Markt zu bringen, von dem sie wissen, dass es gesundheitsschädlich ist.

Weitgehende Einigkeit besteht in Folgendem:

Wer bei der Abstimmung mit „Ja“ stimmt, obwohl er von den strafrechtlich relevanten Folgen weiß, ist Mittäter.1 Das gilt selbst dann, wenn die erforderliche Mehrheit auch ohne die jeweilige Stimme zustande gekommen wäre, die Anwendung der conditio-sine-qua-non-Formel also eigentlich zu einem anderen Ergebnis führen würde. Konstruiert wird dies auf verschiedene Weisen:

  • Durch die Stimmabgabe habe der Täter den Beschluss zur Unrechtsverwirklichung und zur Mittäterschaft gefasst.2
  • Es liege ein Fall kumulativer Mittäterschaft vor, weil jede Ja-Stimme nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg „in seiner konkreten Gestalt“ entfällt. Das Abstimmungsergebnis in seiner konkreten Form hänge von jeder einzelnen Stimme ab.3
  • Es bestehe alternative Mittäterschaft, weil nur eine, nicht aber alle Ja-Stimmen hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.4

Wer bei der Abstimmung mit „Nein“ stimmt, ist kein Mittäter des Begehungsdelikts. In Frage kommt lediglich eine Unterlassensstrafbarkeit. Nota bene: Hierfür bedarf es einer Garantenstellung.5

Umstritten ist, wie Enthaltungen bei der Stimmabgabe zu behandeln sind.

  • Eine Ansicht will sie wie Gegenstimmen behandeln. Arg.: Genau wie Gegenstimmen stimmen sie gerade nicht für den Erfolg, weswegen dieser ihnen nicht zugerechnet werden kann.6
  • Eine andere Ansicht lehnt Mittäterschaft zwar ab, nimmt aber Beihilfe an.7 Arg.: Durch die bewusste Ermöglichung der Mehrheitsentscheidung fördert der Sich-Enthaltende die Haupttat.

Schlusswort von Lucas

Ich hoffe, du fandest diesen Überblick zur Mittäterschaft bei Gremien- und Kollegialentscheidungen hilfreich. Wenn du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, 30. Auflage 2019, § 25 Rn. 79 f..
  2. BGH, 06.07.1990, Az.: 2 StR 549/89.
  3. Freund, in MüKo StGB, 4. Auflage 2020, Vorb. zu § 13, Rn. 346. Gegen diese Begründung, aber mit demselben Ergebnis Satzger, in: Jura 2014, 186, 191 f.
  4. Dreher, in: Jus 2004, 17, 18.
  5. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, 30. Auflage 2019, § 25 Rn. 81.
  6. Narjes, in: ZJS 2019, 98 f.
  7. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder, 30. Auflage 2019, § 25 Rn. 82, 70.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt und Merle Hamm

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach einigen Jahren in Großkanzleien arbeitet er heute als Syndikusrechtsanwalt in einem DAX-Konzern. Merle hat ihr Jurastudium mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsstrafrecht in Bremen absolviert und bereitet sich derzeit auf das Referendariat vor.

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