Der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen aus der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ist in §§ 677, 683, 670 BGB geregelt.

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung der Ansprüche aus der echten berechtigten GoA. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zur GoA mit Definitionen und Erläuterungen.

Zunächst ein Kurzschema zur echten berechtigten GoA für den ersten Überblick:

I. Voraussetzungen

1. Anwendbarkeit der Vorschriften

2. Fremdes Geschäft

3. Fremdgeschäftsführungswille

4. Ohne Auftrag

5. Berechtigung

II. Rechtsfolgen

1. Ansprüche des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn

2. Ansprüche des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer

III. Verhältnis zu anderen Regelungen

Sodann ein ausführliches Schema zur echten berechtigten GoA mit Erläuterungen und Klausurproblemen:

I. Voraussetzungen

1. Anwendbarkeit der Vorschriften

Die Vorschriften über die GoA sind nicht anwendbar, wenn vorrangige Spezialregelungen eingreifen, z.B. Regeln über die Inanspruchname eines Störers im Polizei- und Ordnungsrecht.1

Viele Regelungen aus dem besonderen Schuldrecht verweisen ganz oder teilweise auf die GoA. Ein kurzer Überblick über die wichtigsten:

§§ 539 und 601 BGB sind vollständige Rechtsgrundverweisungen. Das bedeutet, dass dort alle allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen der GoA zu prüfen sind.2

2. Fremdes Geschäft

Ein Geschäft im Sinne des § 677 BGB ist jede rechtsgeschäftliche oder tatsächliche, wirtschaftliche oder nicht wirtschaftliche Tätigkeit.3

Ein Geschäft ist fremd, wenn es in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen eingreift. Man unterscheidet zwischen „objektiv fremden“, „auch-fremden“, „neutralen“ und „eigenen“ Geschäften:

  • Ein Geschäft ist objektiv fremd, wenn es schon seinem Inhalt nach ausschließlich zum Rechts- und Interessenkreis eines anderen gehört.4 Typische objektiv fremde Geschäfte sind Hilfe für einen Verletzten5, die Abwendung der von einem unbeleuchteten Fahrzeug drohenden Gefahren6 und die Tilgung fremder Schulden7. Ein objektiv fremdes Geschäft ist unproblematisch ein fremdes Geschäft.
  • Ein auch-fremdes Geschäft liegt sowohl im Interessenkreis des Geschäftsherrn als auch des Geschäftsführers.8 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Geschäftsführer neben fremden Interessen eigene privat- oder öffentlich-rechtliche Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn oder Dritten wahrnimmt9, z.B. die Pflicht zur Hilfeleistung aus § 323c StGB. Auch das auch-fremde Geschäft wird als fremdes Geschäft behandelt.
  • Bei einem eigenen Geschäft des Geschäftsführers berührt die Geschäftsbesorgung (nur) die eigene Rechtsposition des Geschäftsführers.10 Es handelt sich also nicht um ein fremdes Geschäft. Ein ausschließlich eigenes Geschäft des Geschäftsführers kann auch durch einen möglichen Fremdgeschäftsführungswillen nicht zum fremden Geschäft werden11
  • Ein Geschäft ist objektiv neutral, wenn das Geschäft weder dem Geschäftsführer noch Dritten als eigenes Geschäft zugeordnet werden kann.12 Einen Fremdcharakter kann es erst durch einen Willen des Geschäftsführers zur vordringlichen Wahrnehmung fremder Interessen erhalten.13

3. Fremdgeschäftsführungswille

Der Fremdgeschäftsführungswille ist der Wille des Geschäftsführers, ein fremdes Geschäft zu führen.14 Auf dieser Prüfungsstufe wird die echte GoA von der unechten GoA abgegrenzt: Bei der unechten GoA handelt der Geschäftsführer mit Eigengeschäftsführungswillen. In diesem Fall greifen § 687 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB.

Bei den objektiv fremden und den „auch fremden“ Geschäften wird der Fremdgeschäftsführungswille widerleglich vermutet.15

Bei objektiv neutralen Geschäften muss der Fremdgeschäftsführungswille hinreichend deutlich nach außen in Erscheinung treten.16

4. Ohne Auftrag

Das Tatbestandsmerkmal „ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung“ grenzt die GoA als gesetzliches Schuldverhältnis von der vertraglichen Geschäftsbesorgung ab.17

Der Geschäftsführer darf also weder eine vertragliche noch eine sonstige Beziehung zum Geschäftsherrn haben, aus der er ihm gegenüber zum Tätigwerden verpflichtet ist. Geschäftsbesorgungsverträge wie der Auftrag nach § 662 BGB, den der Gesetzgeber in § 677 BGB ausdrücklich hervorhebt, schließen die GoA aus.18 Bei anderen Verträgen kommt es auf den konkreten Regelungsbereich des Vertrages an.

5. Berechtigung

a) Im Interesse und mit Willen des Geschäftsherren, § 683 S. 1 BGB

Nach dem Wortlaut des § 683 BGB ist die Übernahme der Geschäftsführung berechtigt, wenn sie 1. dem Interesse und 2. dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Leider ist dieser Wortlaut irreführend. Nach h.M. hat nämlich der Wille Vorrang vor dem Interesse und der wirkliche Wille Vorrang vor dem mutmaßlichen Willen. Mehr dazu im Folgenden:

aa) im Interesse des Geschäftsherrn

Dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht die Geschäftsführung, wenn sie ihm objektiv nützlich, also für ihn sachlich vorteilhaft ist.19 Beurteilungsmaßstab ist die konkrete Gesamtlage des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf seinen Beruf, seine Vermögens- und Familienverhältnisse. 20

bb) wirklicher oder mutmaßlicher Wille des Geschäftsherren

Die Geschäftsführung entspricht dem wirklichen Willen des Geschäftsherrn, wenn dieser zum Zeitpunkt der Geschäftsübernahme mit der Geschäftsbesorgung einverstanden ist.21

Der mutmaßliche Wille ist der hypothetische Wille, den der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt der Übernahme geäußert haben würde. Falls andere Anhaltspunkte fehlen, ist als mutmaßlicher Wille der Wille anzusehen, der dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht.22

Der wirkliche Wille hat Vorrang vor dem mutmaßlichen Willen, soweit ersterer ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebracht worden ist.23. Das „oder“ im Wortlaut des § 683 S. 1 BGB ist also nicht im Sinne eines gleichwertigen Alternativverhältnisses zu verstehen. Der mutmaßliche Wille ist nur heranzuziehen, wenn der wirkliche Wille des Geschäftsherrn nicht ermittelt werden kann.

b) Unbeachtlichkeit eines entgegenstehenden Willens, § 679 BGB

Nach § 679 BGB kann ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn ausnahmsweise unbeachtlich sein, wenn ohne die Geschäftsführung eine im öffentlichen Interesse liegende Pflicht des Geschäftsherrn verletzt werden würde oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn ist deshalb zum Beispiel ohne Bedeutung, wenn es um die Abwehr einer Gefahr oder Störung im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Polizeipflicht geht.24

c) Genehmigung nach § 684 S. 2 BGB

Außerdem kann der Geschäftsherr nach § 684 S. 2 BGB die Geschäftsführung genehmigen.

Achtung: Verhältnis zwischen Wille und Interesse

Nach herrschender Meinung geht bei einem Widerspruch zwischen dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn der Wille vor, auch wenn dieser unvernünftig oder interessenswidrig erscheinen mag.25

Anders als man beim unbefangenen Lesen des § 683 S. 1 BGB vermuten könnte, wird damit im Ergebnis alleine auf den Willen, und nicht auf das Interesse, abgestellt.26 Dennoch solltest Du in der Klausur beides prüfen, etwaige Widersprüche ggf. aufzeigen und dann im Ergebnis auf den Willen abstellen.

II. Rechtsfolgen

Für die zentralen Pflichten der Parteien verweist die GoA in §§ 681 S. 2, 683 S. 1 BGB auf die Regelungen zum Auftrag.27

1. Ansprüche des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn

Nach §§ 677, 683, 670 BGB kann der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.

  • Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer. Voraussetzung ist, dass die Aufwendung kausal mit der Geschäftsausführung zusammenhängt und der Geschäftsführer mit seiner Aufwendung die Geschäftsausführung bezweckt.28
  • Der Geschäftsführer muss die Aufwendung entsprechend § 670 BGB den Umständen nach für erforderlich halten dürfen. Das ist mangels einer entsprechenden Weisung bei der berechtigten GoA der Fall, wenn die Aufwendung dem Interesse des Geschäftsherrn entsprach.29
  • Klausurproblem: Ersatz der eingesetzten Arbeitszeit. Strittig. Nach stetiger Rechtsprechung des BGH ersatzfähig, wenn die Arbeitsleistung im Rahmen des Gewerbes des Geschäftsführers ausgeführt wurde30 (Rechtsgedanke des § 1835 Abs. 3 BGB).
  • Klausurproblem: Schäden an Rechtsgütern des Geschäftsführers. Ja, §§ 677, 683, 670 analog, wenn sich durch den Schadenseintritt eine geschäftstypische Gefahr realisiert hat.

2. Ansprüche des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer

Der Geschäftsherr kann vom Geschäftsherrn nach §§ 681 S. 2, 667 BGB Herausgabe des aus der Geschäftsführung Erlangten verlangen.

Außerdem hat er einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB, ggf. i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB, wenn der Geschäftsführer bei der Geschäftsbesorgung pflichtwidrig handelt und dies zu einem Schaden führt.

III. Verhältnis zu anderen Regelungen

Ein Überblick über die wichtigsten Konkurrenzen des Anspruchs aus echter berechtigter GoA:

  • Eigentümer-Besitzer-Verhältnis: Die berechtigte GoA gibt dem Geschäftsführer ein Recht zum Besitz nach § 986 BGB an den Sachen, die er zur Geschäftsausführung in Besitz nimmt.31 Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB und die anderen Ansprüche aus dem EBV sind deshalb ausgeschlossen.
  • Bereicherungsrecht: Die berechtigte Geschäftsführung ist ein Rechtsgrund im Sinne des Bereicherungsrechts.32
  • Deliktsrecht: Die berechtigte Geschäftsführung stellt gegenüber dem Geschäftsherrn einen eigenen Rechtfertigungsgrund im Sinne des Deliktsrechts dar.33 Der Geschäftsherr hingegen kann aus Delikt haften.34 Wenn der Geschäftsführer bei der Ausführung des Geschäfts seine Pflicht zur ordentlichen Geschäftsführung aus § 677 BGB verletzt, kann er aber nach §§ 677, 280 BGB auf Schadensersatz haften.35

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zur echten berechtigten GoA hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. BGH, Urteil vom 13.11.2003, Az. III ZR 70/03).
  2. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 33.
  3. vgl. BGH, Urteil vom 27.11.1962, Az. VI ZR 217/61; MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 34.
  4. vgl. BGH, Urteil vom 27.5.2009, Az. VIII ZR 302/07.
  5. BGH, Urteil vom 7.11.1960, Az. VII ZR 82/59.
  6. BGH, Urteil vom 16.3.1965, Az. VI ZR 210/64.
  7. BGH, Urteil vom 20.4.1967, Az. VII ZR 326/64.
  8. vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1954, Az. II ZR 277/53.
  9. BGH, Urteil vom 20.6.1963, Az. VII ZR 263/61.
  10. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 40.
  11. vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 40.
  12. Vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 40.
  13. BGH, Urteil vom 27.5.2009, Az. VIII ZR 302/07.
  14. vgl. BGH, Urteil vom 20.4.1967, Az. VII ZR 326/64.
  15. BGH, Urteil vom 27.5.2009, Az. VIII ZR 302/07.
  16. BGH, Urteil vom 21.10.2003, Az. X ZR 66/01.
  17. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 75.
  18. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 75.
  19. vgl. BGH, Urteil vom 20.4.1967, Az. VII ZR 326/64.
  20. OLG München, Urteil vom 10.12.1987, Az. 19 U 6312/86.
  21. BGH, Urteil vom 25.11.1981, Az. VIII ZR 299/80.
  22. vgl. BGH, Urteil vom 11.3.2016, Az. V ZR 102/15.
  23. vgl. BeckOK BGB, 56. Auflage 2020, § 683 BGB Rn. 3.
  24. vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 679 Rn. 10.
  25. vgl. BGH, Urteil vom 2.4.1998, Az. III ZR 251/96.
  26. mit weiteren Nachweisen MüKo BGB, 8. Auflage 2020, Rn. 18.
  27. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 15.
  28. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 683 Rn. 25.
  29. vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 683 Rn. 27.
  30. BGH, Beschluss vom 27.11.2014 – III ZA 19/14.
  31. BGH, Urteil vom 29.10.1959, Az. VII ZR 197/58.
  32. BGH, Urteil vom 20.7.2011, Az. XII ZR 149/09.
  33. vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 103.
  34. BGH, Urteil vom 22.7.1999, Az. III ZR 198/98.
  35. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 677 Rn. 103.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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