Dieser Beitrag ist Teil 7 der Artikelserie Als Jurist in den Traumjob.

Wir haben Dich am Ende der letzten Mail ja etwas auf die Folter gespannt. Jetzt offenbart Sven aber endlich die 5 häufigsten Fragetypen, die Dich im Vorstellungsgespräch erwarten.

Du wirst sehen, seine Kategorisierung erleichtert die Vorbereitung immens.

Sven:
In der Tat. Einer der größten Fehler, die Du machen kannst, ist schlecht vorbereitet ins Vorstellungsgespräch zu gehen. Die häufigsten Arten von Fragen zu kennen, ist für die Vorbereitung eine große Hilfe.

Das sind die Folgenden:

#1 Fachfragen

Hier geht alles um Deine Expertise. Was Du von Dir erzählst, ist natürlich von Beruf zu Beruf unterschiedlich. Hier entscheidet wieder das Stichwort Relevanz.

Bereite Dich vor auf typische Praxisfälle, die Dich künftig im Alltag erwarten und zeige, dass die Lösung kein Problem für Dich darstellt. Interessanterweise werden Dir Fachfragen eher in klassischen Unternehmen und seltener in Kanzleien gestellt.

#2 Fragen an bestimmte Zielgruppen

Absolventen, Berufseinsteiger, Frauen und ältere Mitarbeiter bekommen oft besonders fiese Fragen zu Absichten und Lücken im Lebenslauf oder einer Umorientierung gestellt. Bereite Dich vor, indem Du Dir Lösungen für die erwartbaren Bedenken überlegst.

Lucas:
Typische “fiese” Fragen für juristische Berufseinsteiger sind z.B.:

  • “Warum haben Sie so lange studiert?”
  • “Warum haben Sie nicht promoviert?”
  • “Warum haben Sie so lange promoviert?”
  • “Warum haben Sie Ihre Promotion abgebrochen?”
  • “Ich kann an Ihrem Lebenslauf nicht sehen, dass Sie englisch können.”
  • “Warum waren Sie im Referendariat nicht im Ausland?”
  • “Warum waren Sie im Studium nicht im Ausland?”
  • “Warum haben Sie eine Lücke zwischen Studium und Referendariat? Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?”
  • “Ich sehe, Sie haben Ihre Wahlstation bei einem Gericht gemacht. Wollen Sie später einmal Richter werden?” (Kanzleien sorgt das, weil sie Angst haben, dass Du Dich heimlich schon auf eine Richterstelle beworben hast und vielleicht nach zwei Monaten in der Kanzlei wieder kündigst, wenn Du die Zusage für das Richteramt bekommen hast.)

Zurück zu Sven:

#3 Verhaltensfragen

Zu den Verhaltensfragen gehören Fragen, wie:

  • „Warum haben Sie Ihren letzten Job verlassen?“
  • „Was ist Ihr bisher größter Fehler im Berufsleben?“
  • „Beschreiben Sie eine Situation, bei der Sie X gemacht haben.“

Hier musst Du eine möglichst spannende Story mit der CAR-Formel erzählen, wie Du es auch schon in dem Artikel zum Anschreiben [LINK] gelernt hast. Damit bist Du gut vorbereitet.

#4 Situationsfragen

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Konflikt im Team zwischen X und Y über Z. Wie würden Sie handeln?

In diese Kategorie gehören auch die besonders fiesen Brainteaser, wie z.B. “Wie viele Smarties passen in einen Smart?” Bei diesen Fragen geht es nicht darum, was Du antwortest, sondern wie Du antwortest.

Kapitulierst Du sofort oder wagst Du den Versuch? Das ist wie früher im Matheunterricht. Du wusstest die Lösung zwar nicht, aber für den Ansatz gab es schon Punkte.

Von Anwälten wirst Du solche Fragen eher selten gestellt bekommen. Personaler mögen sie aber gerne, auch wenn Sie Dir als Juristen wahrscheinlich keine Rechenaufgaben stellen werden.

Falls Du als Jurist in eine Unternehmensberatung willst, musst Du allerdings mit Schätz- und Rechenaufgaben à la Smarties im Smart rechnen.

#5 Illegale Fragen

Die kommen erstaunlicherweise öfter vor, als man das erwartet. Manche Entscheider testen auf diese Weise die Grenzen und die Standhaftigkeit ihrer zukünftigen Mitarbeiter.

Wie Du im Studium gelernt hast, darfst Du generell lügen auf eine illegale Frage, wie nach einer Schwangerschaft, Religion oder sexuellen Orientierung.

Beantworte sie also entweder kurz und bündig mit “Das hat nichts mit meiner beruflichen Eignung zu tun, deshalb lassen Sie uns bitte zur nächsten Frage übergehen.” oder lüge kurz und dann weiter im Takt.

Halte jede Antwort im Zeitrahmen von 60-Sekunden

Lucas:
Kurz und bündig ist ein gutes Stichwort. Manchmal kann ja vor Aufregung die Zeitwahrnehmung ganz schön durcheinander geraten. Was hast Du da für Tipps, um sich nicht selbst zu verrennen?

Sven:
Das bringt uns zur wohl wichtigsten Regel im Vorstellungsgespräch. Was machen die meisten Bewerber verkehrt? Sie sind nervös und antworten deshalb zu ausschweifend.

Sie nehmen nicht wahr, dass der Entscheider nicht mehr zuhört und sie denken: “Na wenn der mich nicht unterbricht, scheint ja alles OK zu sein.”

Das kann schnell verkehrt sein. Merk Dir: Die Aufmerksamkeitsspanne des Entscheiders ist kurz. Extrem kurz. Deswegen ist die wichtigste Regel:

Keine Antwort über 60 Sekunden.

Du bekommst viele Fragen gestellt. Halt es kurz, knapp und auf den Punkt. Du kannst Themen anreißen, ohne Details darüber zu erzählen und dann nachfragen, ob der Entscheider sich für mehr interessiert.

Wie das genau am besten funktioniert und wie Du das Gespräch auf Deine Stärken lenkst, würde den Rahmen dieser Serie sprengen. Deswegen gebe ich Dir hier nur eine Allzweckwaffe für knifflige Fragen mit, die in den meisten Fällen gut funktioniert.

Die Allzweckwaffe: Wie schon in den anderen Lektion verdeutlicht, hängt Dein Erfolg nicht von Musterantworten ab, sondern davon, dass Du die Prinzipien verstehst, warum eine Antwort gut ist und eine andere nicht.

Jede Frage, die Dich im Vorstellungsgespräch erwartet, dreht sich nur um zwei Dinge:

1. Deine Kompetenz
2. Deine Motivation

Es geht also ums Wollen und ums Können. Wenn Du nur eins davon zeigst, bist Du raus aus dem Bewerbungsprozess. Wirkst Du also zwar motiviert, aber zeigst nicht genug Kompetenzen, dann schließt der Entscheider, dass Du übermotiviert in Aktionismus verfällst und Schaden anrichten würdest.

Und wenn Du zwar kompetent bist, aber nicht zeigst, dass Du genau diese Position und dieses Unternehmen wirklich willst, dann denkt der Entscheider, Dir muss man immer auf gut Deutsch in den Hintern treten, damit Du was tust. Oder Du bist in der Probezeit schnell wieder weg, sobald Du ein besseres Angebot bekommst.

Lucas:
Das wäre das Beispiel von oben, dass sich jemand in einer Kanzlei bewirbt, um die Zeit zu überbrücken, bis er eine Entscheidung über seine Bewerbung als Richter bekommt.

Sven:
Genau. Das wäre ein Extremfall. Solche Leute versucht eine Kanzlei natürlich in jedem Fall auszufiltern.

Schauen wir uns die Begriffe Kompetenz und Motivation nochmal näher an. Fangen wir an mit Deiner Kompetenz. Deine Kompetenz oder Deine Fähigkeiten unterteilen sich in Hardskills und Softskills.

Hardskills sind Deine fachlichen Fähigkeiten. Also das, was Du in der juristischen Ausbildung gelernt hast, zum Beispiel wie Du einen Fall prüfst.

Deine Softskills hingegen drücken zum einen persönliche und zum anderen soziale Kompetenzen aus. Persönliche Kompetenzen zeigen, wie Du mit Dir selbst umgehst, also mit Deinen Emotionen, Zielen und Schwächen.

Lernst Du z.B. aus Misserfolgen oder passieren sie immer wieder? Deine sozialen Kompetenzen zeigen, wie Du mit anderen umgehst. Kannst Du also z.B. im Team Deine Meinung vertreten, zwischenmenschliche Konflikte lösen und Verantwortung für Projekte übernehmen?

Kommen wir zur Motivation. Bei der Motivation geht es um Deine Werte und Ziele. Der Entscheider will wissen, ob Du Dich mit dem Unternehmen bzw. der Kanzlei und den damit verbundenen Werten identifizierst. Er fragt sich auch, ob Du Dich mit den anderen Mitarbeitern gut verstehen würdest und zur Unternehmenskultur passt.

Es ist also Deine Aufgabe, herauszufinden, ob Du eher in konservative oder lockere Unternehmen passt, welcher Umgang mit Kollegen Dir lieb ist und wie es in dem Unternehmen abläuft, bei dem Du Dich bewirbst.

Für die Recherche kannst Du Plattformen wie kununu.com nutzen. Dort berichten Mitarbeiter von ihren Erfahrungen im Unternehmen und zwischen den Zeilen liest Du schnell heraus, was von Führungskräften geschätzt wird und welcher Umgangston die Regel ist. Mit diesem Hintergrundwissen kannst Du Deine Motivation passender darstellen.

Lucas:
Wenn Du bei kununu schaust, achte aber darauf, wer die Bewertung geschrieben hat. Gerade in Kanzleien stammen die Bewertungen oft von nicht-juristischem Personal.

Das kann zwar auch viel über die Unternehmenskultur aussagen, betrifft Dich aber zumindest nicht unmittelbar. Ich habe bisher auf diesen Portalen auch noch keine Kanzlei gesehen, wo sich das nicht-juristische Personal nicht über eine Schlechterbehandlung gegenüber den Juristen beschwert hätte.

Sven:
Guter Punkt, aber wie Du sagst, auch die Bewertungen von Nichtjuristen können viel über den Umgangston im Unternehmen generell aussagen.

Lucas:
Klar.

Sven:
Hier ist also zusammengefasst Dein Prüfschema für das erfolgreiche Beantworten von Fragen im Jobinterview. Nur zwei einfache Schritte sind nötig:

Schritt 1: Prüfe die Frage hinter der Frage: Welche Kompetenz ist gesucht?

Schritt 2: Welche Situation fällt Dir als erstes ein, die demonstriert, dass der Entscheider sich bei Dir in dieser Sache überhaupt keine Sorgen machen muss und Du das in Zukunft ähnlich erfolgreich für ihn auch wieder übernimmst?

So stellst Du klar, dass Du kein Risiko bist, sondern die Chance seines Lebens. Konkrete Beispiele aus Deinem Arbeitsalltag oder auch aus Referendariat und Studium sind hier Pflicht.

Wenn Du aus diesen Tipps das meiste rausholen willst, dann mache mit bei einem kleinen Experiment. Ein kleiner Vorher-Nachher-Test für die Selbstpräsentation.

Stell einen Stuhl gegenüber vor Dir auf. Setz Dich auf den einen. Der andere bleibt leer. Na, nicht ganz. Stell Dein Handy auf den Stuhl, lehne es zum Beispiel gegen ein paar Bücher und nimm Dich selbst auf Video auf. Wo Dein Handy steht, sitzt normalerweise der Entscheider.

Nimm Dir einen Moment Zeit und stell Dir den typischen Entscheider vor. Ist er männlich oder weiblich? Groß oder klein? Sympathisch oder unterkühlt?

Stell dir nun vor, der Entscheider begrüßt Dich und sagt: “Erzählen Sie uns doch mal was über sich”. Nun starte die Aufnahme und erzähl dem Entscheider Deine persönliche Story wie im Vorstellungsgespräch.

Das Ergebnis dürftest Du Dir eigentlich 24 Stunden lang nicht ansehen. Noch besser 48 Stunden lang. Solange braucht Dein Gehirn, um zu vergessen, dass Du das bist auf dem Video und um sich emotional zu distanzieren.

Um diesen Prozess zu verkürzen, setze Dich auf den anderen Stuhl und schlüpfe in die Rolle des Entscheiders. Der hat heute schon zwei Dutzend Bewerber interviewt und ist schon etwas unkonzentriert.

Schau Dir dann das Video an, als wärst das gar nicht Du. Es ist ganz normal, dass Du zum Beispiel Deine Stimme seltsam findest, ignorier es einfach. Bewerte aus der Sicht des Entscheiders auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gut fesselt Deine Selbstpräsentation Deine eigene Aufmerksamkeit?

Überleg Dir, wie der Entscheider es einschätzen würde. 1 heißt: Absolut grauenhafte Vorstellung. Ich kann mir das keine Sekunde länger anschauen. Nächster bitte. 10 heißt: Ich bin hin und weg. Sofort einstellen.

Wiederhole diese Übung in den nächsten Tagen und arbeite an den Punkten, die Du noch verbessern möchtest. Bewerte Dich neu von 1 bis 10 und erlebe, wie sich Dein Ergebnis messbar verbessert.

Lucas:
Das will ich 10 mal unterstreichen. Mach das!! Bitte, bitte, bitte. Nicht nur lesen. Entscheidend ist, dass Du unsere Tipps umsetzt.

Im nächsten Beitrag zeigen wir Dir dann, welche eigenen Fragen Du im Vorstellungsgespräch stellen solltest.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia.

Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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