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Überlegst Du, eine Referendariatsstation im Unternehmen zu absolvieren? Ich habe das selbst gemacht und kann es Dir durchaus empfehlen. In diesem Artikel beantworte ich die häufigsten Fragen zur Station im Unternehmen.

Das Wichtigste auf einen Blick:

Im Rechtsreferendariat ist eine Station im Unternehmen in der Wahlstation und in Teilen der Anwaltsstation möglich. Unternehmen zahlen häufig ein Stationsgehalt. Die Wochenarbeitszeit beträgt 4 bis 5 Tage bei zumeist 8 Arbeitsstunden pro Tag.

In welcher Referendariatsstation kannst Du ins Unternehmen gehen?

Deine Wahlstation kannst Du in allen Bundesländern in der Rechtsabteilung eines Unternehmens absolvieren. Eine Besonderheit gilt insoweit in Hamburg, weil es dort zwei Wahlstationen gibt. In ein Unternehmen kannst Du dort nur in der Wahlstation II.

Auch in Deiner Anwaltsstation kannst Du in allen Bundesländern in die Rechtsabteilung eines Unternehmens. Allerdings gilt hier eine Beschränkung auf drei Monate. Du musst die Anwaltsstation dann also aufteilen in einen Teil bei einer Anwaltskanzlei und einen Teil bei einem Unternehmen.

Auch bei der Anwaltsstation gibt aber es eine Ausnahme, nämlich Baden-Württemberg. In Baden-Württemberg gibt es zwei Anwaltsstationen. In der ersten Anwaltsstation darfst Du nicht in ein Unternehmen, in der zweiten hingegen schon (vgl. Ziffer 2.3.3 der Baden-Württembergischen Verwaltungsvorschrift Az.: 2220L/0142 vom 1. März 2020).

Dafür darfst Du die gesamte viereinhalbmonatige zweite Anwaltsstation im Unternehmen ableisten, bist in Baden-Württemberg also nicht auf drei Monate beschränkt.

Zahlen Unternehmen Referendaren ein Stationsgehalt?

Beim Thema Stationsentgelt hat sich in den letzten 15 Jahren (Stand heute: 2020) einiges getan. Während Stationsgehälter bei Unternehmen früher absolut unüblich waren, sind sie heute in großen Konzernen die Regel und können am oberen Ende um die EUR 1000 oder sogar mehr pro Monat betragen.

Auch kleinere Unternehmen zahlen immer öfter ein Stationsentgelt, allerdings nicht immer und in der Regel ein geringeres.

Mehr zum Stationsentgelt und den verschiedenen Arten von Gehältern, die Du im Referendariat bekommst, kannst Du in meinem Artikel zum Gehalt im Rechtsreferendariat nachlesen.

Wie viel arbeitest Du als Referendar in einem Unternehmen?

Auch hier gab es Fortschritte für die Referendare. Während früher die fünf-Tage-Woche für Referendare in Unternehmen der Standard war, gibt es heute häufig auch eine vier-Tage-Woche, so dass Dir ein Tag (oder, je nach Arbeitseinstellung, zwei) für die Examensvorbereitung bleibt.

Pro Tag wirst Du in der Regel acht Stunden arbeiten. Diese Arbeitszeit wird in Unternehmen auch strikter eingehalten als Großkanzleien (wo Du dafür aber auch mehr Gehalt bekommst).

Was sind die Anforderungen für eine Station in einer Unternehmensrechtsabteilung?

Welche Anforderungen ein Unternehmen an die Qualifikation der Bewerber stellt, hängt stark vom Unternehmen ab. Bei DAX-Konzernen können die Voraussetzungen noch strenger als bei Großkanzleien sein: Prädikat als Muss (wovon in vielen Großkanzleien an vielen Standorten inzwischen zumindest inoffiziell abgesehen wird) sowie Promotion oder LL.M. als gern gesehene Zusatzqualifikationen.

In kleinen Unternehmen hingegen wirst du Dich hingegen auch mit wesentlich weniger guten Noten erfolgreich bewerben können. Das gilt erst recht dann, wenn der Standort des Unternehmens nicht so attraktiv ist.

Kannst Du zum Berufseinstieg vom Unternehmen übernommen werden?

Prinzipiell ist es schon möglich, wenn man in der Referendariatsstation einen guten Eindruck macht, nach Abschluss des Referendariats beim Unternehmen als Volljurist einzusteigen.

Allerdings stehen die Chancen auf eine Übernahme in Unternehmen schlechter als in Kanzleien. Unternehmen stellen bevorzugt Juristen mit Berufserfahrung ein. Ich arbeite selbst als Syndikusrechtsanwalt in einem DAX-Konzern und die meisten meiner Kollegen haben ein paar Jahre Großkanzlei-Praxis hinter sich, bevor sie ins Unternehmen gekommen sind.

Auf der anderen Seite habe ich aber auch Kollegen, die direkt nach dem Referendariat ins Unternehmen eingestiegen sind. Es ist also möglich.

Wenn Du direkt nach dem zweiten Staatsexamen als Unternehmensjurist anfangen willst, solltest Du deshalb auf jeden Fall versuchen, das Referendariat als Einstiegsticket zu benutzen. Das ist ohne Berufserfahrung sehr sehr sehr viel leichter als mit einer Bewerbung von außerhalb.

Wenn die Möglichkeit eines Direkteinstiegs beim Unternehmen für Dich wichtig ist, solltest Du aber ein Unternehmen auswählen, was die Kapazitäten für einen weiteren Volljuristen hat. Bei kleineren Unternehmen und Start-Ups mit nur einem Volljuristen und einem Referendar ist die Chance eher gering, dass überhaupt das Budget für einen zweiten Volljuristen vorhanden ist.

Was machst Du als Referendar im Unternehmen?

Was Du als Referendar in einem Unternehmen genau machst, hängt stark vom Unternehmen und der konkreten Stelle ab.

Dicht am operativen Geschäft

Tendenziell wirst du mit wesentlich mehr verschiedenen Abteilungen des Unternehmens zusammenarbeiten, als dies in einer Kanzlei der Fall wäre. Als Referendar in einer Anwaltskanzlei hast Du wahrscheinlich gar keinen eigenen Mandantenkontakt und wenn dann meist zur Rechtsabteilung des Mandanten.

Im Unternehmen hingegen hast Du eher Kontakt zu Vertrieb, Marketing, Produktion etc. Das bedeutet, Du trainierst die Fähigkeit, juristische Sachverhalte Nichtjuristen gegenüber verständlich darzustellen.

Außerdem lernst Du die operativen Prozesse im Unternehmen kennen. Das fand ich in meiner Wahlstation im Unternehmen extrem spannend. Die konkrete Branche des Unternehmens ist deshalb wesentlich wichtiger als bei einer Kanzlei. In einer Kanzlei beschäftigst Du Dich vor allem mit Rechtsfragen. Ob dahinter ein Unternehmen aus der Energiebranche oder aus der Medizintechnik steht, macht zwar einen Unterschied, aber keinen sooo großen.

Anders im Unternehmen: Hier steckst Du tief im Tagesgeschäft und das macht Dir umso mehr Spaß, desto mehr Du Dich für die Branche begeistern kannst.

Aufgabenbreite hängt oft von der Unternehmensgröße ab

Umso kleiner das Unternehmen, desto vielfältiger wird oft Dein Tätigkeitsbereich sein. Wenn es nur einen Volljuristen und einen Referendaren im Unternehmen gibt, werdet Ihr Euch um alles kümmern, was an rechtlichen Themen im Unternehmen anfällt.

Wenn Du Deine Station hingegen in einem Großkonzern mit 100 Volljuristen absolvierst, bist Du vielleicht spezialisierter unterwegs. Allerdings gibt es in den Großkonzernen unterschiedliche Systeme. Teilweise bist Du einem ganz konkreten Bereich zugeordnet, teilweise wird auf die Referendare aber auch poolartig zugegriffen. In letzterem Fall fällt Dein Aufgabenbereich vielfältiger aus.

Steuerung externer Kanzleien

Ein Thema, was die Juristen der meisten Rechtsabteiluneng bewegt, ist die Steuerung externer Kanzleien. Kaum eine Rechtsabteilung kann alle juristischen Themen inhouse bewältigen. Für Spezialthemen werden regelmäßig externe Kanzleien eingeschaltet.

Als Referendar wirst du die Steuerung dieser externen Kanzleien wahrscheinlich noch nicht selbstständig übernehmen. Daran teilzuhaben kann aber sehr spannend sein, gerade wenn Du bisher schon für Kanzleien gearbeitet hast. Denn nun erlebst Du den Prozess einmal von der anderen Seite.

Fazit: Meine Empfehlung

Egal ob Du später in der Kanzlei oder im Unternehmen arbeiten möchtest: Eine Station im Unternehmen lohnt sich aus meiner Sicht auf jeden Fall.

  • Wenn eine Karriere als Syndikusanwalt für Dich in Betracht kommt, kannst Du so einen ersten Eindruck bekommen und hast gleichzeitig möglicherweise eine Chance auf einen Direkteinstieg.
  • Aber selbst wenn Du später in einer Wirtschaftskanzlei arbeiten willst, ist es nützlich, die Perspektive des Mandanten einmal kennengelernt zu haben.
  • Nur wenn Du Deine Karriere in einer Kanzlei siehst, deren Mandanten Privatpersonen sind, dann macht eine Station im Unternehmen wahrscheinlich wenig Sinn.

Ich selbst war sehr froh, meine Wahlstation im Unternehmen gemacht zu haben. Ich hatte eine tolle Zeit und habe viel gelernt. Außerdem hat es mir Jahre später meine Entscheidung, von der Großkanzlei ins Unternehmen zu wechseln, erleichtert und hier auch bei Bewerbungen geholfen, da ich auf meine Referendariatsstation im Unternehmen als erste Vorerfahrung verweisen konnte.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia.

Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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