Die schwere Körperverletzung ist in § 226 StGB geregelt. § 226 StGB ist eine Erfolgsqualifikation zu § 223 StGB (zum Schema). Gemäß § 226 Abs. 2 StGB bestimmt eine Strafschärfung, wenn der Täter die schwere Folge absichtlich oder wissentlich herbeiführt. § 226 Abs. 3 StGB regelt (unbenannte) minder schwere Fälle.

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung der schweren Körperverletzung nach § 226 StGB. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zu § 226 StGB mit Definitionen und Klausurproblemen.

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikts, § 223 StGB 

2. Objektiver Tatbestand der Erfolgsqualifikation des § 226 StGB

a) Verursachen einer schweren Verletzungsfolge i.S.v. § 226 Abs. 1 StGB

aa) Verlust von Seh-, Sprech-, Hör- oder Fortpflanzungsvermögen (Nr. 1)

bb) Verlust oder dauerhafte Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen Glieds (Nr. 2)

cc) Erhebliche dauernde Entstellung des Erscheinungsbilds oder Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung

b) Kausalität der Verletzungshandlung für die schwere Folge

c) Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz bzgl. des Grunddelikts

2. Mindestens Fahrlässigkeit hinsichtlich der schweren Folge

3. Für die schwerere Strafe des § 226 Abs. 2 StGB: Absicht oder Wissentlichkeit bzgl. der schweren Folge

B. Rechtswidrigkeit

C. Schuld

Sodann ein ausführliches Schema zu § 226 StGB mit Definitionen und Klausurproblemen:

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikts, § 223 StGB 

Siehe dazu das Prüfungsschema zur einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB.

2. Objektiver Tatbestand der Erfolgsqualifikation des § 226 StGB

a) Verursachen einer schweren Verletzungsfolge i.S.v. § 226 Abs. 1 StGB

aa) Verlust von Seh-, Sprech-, Hör- oder Fortpflanzungsvermögen (Nr. 1)

Verloren ist die jeweilige Fähigkeit, wenn sie dauerhaft aufgehoben oder im Wesentlichen aufgehoben ist.1.

Sehvermögen ist die Fähigkeit, mittels des Auges Gegenstände wahrzunehmen2

Gehör ist die Fähigkeit, artikulierte Laute akustisch zu verstehen.3

Sprechvermögen ist die Fähigkeit zum artikulierten Reden.4

Fortpflanzungsfähigkeit umfasst die Zeugungsfähigkeit sowie die Empfängnisfähigkeit, Austragungsfähigkeit und Gebärfähigkeit.5 Umstritten ist, ob ein Verlust der Beischlaffähigkeit umfasst ist, wenn eine Fortpflanzung durch künstliche Befruchtung noch möglich ist.6

bb) Verlust oder dauerhafte Gebrauchsunfähigkeit eines wichtigen Glieds (Nr. 2)

Klausurproblem: Definition von „Glied“

  • Glied des Körpers ist nach heute h.M. ein Körperteil, welcher durch ein Gelenk mit dem Rumpf oder einem anderen Körperteil verbunden ist.7
  • Nach anderer Ansicht ist Glied jeder in sich abgeschlossene Körperteil, der nach außen in Erscheinung tritt (also z.B. auch Nase und Ohren).8
  • Argumente für die h.M: Allgemeiner Sprachgebrauch (Wortlaut); Einschränkungen an Augen und Ohren werden in Nr. 1 behandelt (Systematik).
  • Jedenfalls kein Glied sind innere Organe.

Klausurproblem: Wichtigkeit eines Körperglieds

Wichtig ist ein Körperglied, wenn sein Verlust eine wesentliche Beeinträchtigung des Körpers in seinen regelmäßigen Verrichtungen bedeutet.9

Umstritten ist, ob es dabei auf die Beeinträchtigung ankommt, die der Verlust des entsprechenden Körperglieds für jedermann bedeutet, oder ob und inwieweit die individuellen Umstände des Opfers zu berücksichtigen sind.10

  • Ansicht 1: Abstellen auf die generelle Bedeutung des Körperteils ohne Blick auf das Individuum.
  • Ansicht 2 (wohl h.M.): Berücksichtigung individueller Körperfunktionen des Opfers (z.B. haben die Finger der linken Hand bei einem Linkshänder größere Bedeutung und die Zehen eine größere Bedeutung für jemanden, der ohne Hände geboren wurde), nicht aber der beruflichen-sozialen Funktion des Opfers (d.h. die Finger werden nicht wichtiger, weil jemand hauptberuflich Klavier spielt).
  • Ansicht 3: Berücksichtigung individueller Körperfunktionen und der beruflich-sozialen Funktion des Opfers.

cc) Erhebliche dauernde Entstellung des Erscheinungsbilds oder Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung

Erheblich entstellt ist das Opfer, wenn seine äußere Gesamterscheinung in ihrer ästhetischen Wirkung derart verändert ist, dass es erhebliche psychische Nachteile im Verkehr mit anderen Menschen zu erleiden hat.11 

Klausurproblem: Die Entstellung lässt sich operativ beseitigen.

  • Nach wohl überwiegender Auffassung verhindert dies die Annahme einer dauernden Entstellung, wenn die Operation in Hinblick auf die Risiken und auch finanziell zumutbar ist.12

Siechtum ist ein chronischer Krankheitszustand, der den Gesamtorganismus in Mitleidenschaft zieht und ein Schwinden der körperlichen oder geistigen Kräfte zur Folge hat.13

Lähmung ist eine erhebliche Beeinträchtigung zumindest eines Körperteils, die die Bewegungsfähigkeit des ganzen Körpers in Mitleidenschaft zieht.14

Geistige Krankheit oder Behinderung meint eine nicht nur unerhebliche und nicht nur vorübergehende Störung der Gehirntätigkeit.15

b) Kausalität der Verletzungshandlung für die schwere Folge

c) Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang

Über die Kausalität hinaus ist ein Gefahrzusammenhang zwischen Grunddelikt und der schweren Verletzungsfolge erforderlich: Die der Körperverletzung innewohnende Gefahr muss sich gerade in der schweren Folge niedergeschlagen haben.

Klausurproblem: Abstellen auf Körperverletzungshandlung oder -erfolg

Umstritten ist, ob der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang zwischen der Körperverletzungshandlung und der schweren Folge oder dem Körperverletzungserfolg und der schweren Folge bestehen muss.16

Die Rechtsprechung verlangt, dass sich gerade die typische Gefährlichkeit der Körperverletzungshandlung in der schweren Folge realisiert hat.17

Ein Teil der Lehre verlangt hingegen eine Realisierung der typischen Gefährlichkeit des Körperverletzungserfolgs in der schweren Folge.

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz bzgl. des Grunddelikts

2. Mindestens Fahrlässigkeit hinsichtlich der schweren Folge, § 18 StGB

3. Für die schwerere Strafe des § 226 Abs. 2 StGB: Absicht oder Wissentlichkeit bzgl. der schweren Folge

Der Täter muss die Folge entweder, wenn auch nur zur Erreichung vorübergehender Zwecke, anstreben oder als sichere Folge seiner Verletzungshandlung sehen.18

B. Rechtswidrigkeit

Allgemeine Rechtfertigungsgründe

C. Schuld

Allgemeine Entschuldigungsgründe

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zur schweren Körperverletzung nach § 226 StGB hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. Lackner/Kühl StGB, 29. Auflage 2018, § 226 Rn. 2.
  2. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 226 Rn. 1b.
  3. BGH, Beschl. v. 08.12.2010 Az.: 5 StR 516/10.
  4. BeckOK StGB, 49. Edition 01.02.2021, § 226 Rn. 10.
  5. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 226 Rn. 1b.
  6. Dafür Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 226 Rn. 1b, dagegen BeckOK StGB, 49. Edition 01.02.2021, § 226 Rn. 10.
  7. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 226 Rn. 2.
  8. BeckOK StGB, 49. Edition 01.02.2021, § 226 Rn. 15
  9. MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 226 Rn. 27
  10. zum Streitstand BeckOK StGB, 49. Edition 01.02.2021, § 226 Rn. 15; MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 226 Rn. 27 f.
  11. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 226 Rn. 3/4, BGH, Urteil vom 8.11.1966 , Az.: 1 StR 450/66.
  12. BeckOK StGB, 49. Edition 01.02.2021, § 226 Rn. 21 m.w.N..
  13. Lackner/Kühl StGB, 29. Auflage 2018, § 226 Rn. 4.
  14. BGH, Urt. v. 03.05.1988, Az.: 1 StR 167/88.
  15. BGH, Beschl. v. 16.12.2008, Az.: 3 StR 453/08.
  16. Zum Streit mit weiteren Nachweisen MüKo StGB, 4. Auflage 2020, § 18 Rn. 22 ff.
  17. BGH, Urt. v. 09.10.2002, Az.: 5 StR 42/02.
  18. BGH, Urt. v. 14.10.2000, Az.: 4 StR 327/00.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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