In diesem Artikel zeige ich dir zuerst ein Prüfungsschema zur Beihilfe nach § 27 StGB. Darunter findest Du dann eine Zusammenfassung zur Beihilfe mit den wichtigsten Definitionen und Klausurproblemen.
Prüfungsschema zur Beihilfe nach § 27 StGB:
A. Strafbarkeit des Haupttäters
B. Strafbarkeit des Beteiligten als Gehilfe
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a) Vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat
b) Hilfeleisten
2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz bzgl. der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
b) Vorsatz bzgl. des eigenen Gehilfenbeitrags
3. Ggf. Tatbestandsverschiebung nach § 28 Abs. 2 StGB
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Strafe, insb. § 28 Abs. 1 StGB
Zusammenfassung zur Beihilfe nach § 27 StGB:
A. Strafbarkeit des Haupttäters
Normale Prüfung des jeweiligen Straftatbestandes wie beim Alleintäter.
B. Strafbarkeit des Beteiligten als Gehilfe
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a) Vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat
„Tat“ bedeutet die Verwirklichung eines Strafgesetzes, § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB.
Es genügt der Versuch einer Tat.1
Achtung: Die vollendete Beihilfe zu einer versuchten Tat ist von der versuchten Beihilfe zu unterscheiden. Letztere ist generell straflos.
Die Haupttat muss nicht schuldhaft begangen worden sein, § 29 StGB (sog. „limitierte Akzessorietät der Teilnahme“).2
Die Beihilfe am erfolgsqualifizierten Delikt ist möglich, wenn bezüglich der schweren Folge eigene Fahrlässigkeit des Teilnehmers besteht. Das ergibt sich aus §§ 11 Abs. 2, 18 StGB.
Als vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat genügt wegen §§ 11 Abs. 2, 18 StGB die vorsätzliche, rechtswidrige Verwirklichung (oder der Versuch) des Grunddelikts. Der Haupttäter muss nicht fahrlässig bezüglich der schweren Folge gehandelt haben.
b) Hilfeleisten
„Hilfeleisten“ ist jede Förderung der Haupttat.
Als Mittel der Hilfeleistung kommen physische und psychische Beihilfe in Betracht.
Bei der psychischen Beihilfe festigt der Gehilfe den den Tatentschluss des Täters oder gibt ihm ein Gefühl erhöhter Sicherheit.3
Klausurproblem: Kausalität des Gehilfenbeitrags
Umstritten ist, ob die „Förderung“ der Haupttat eine Kausalität des Gehilfenbeitrags für den Taterfolg voraussetzt.
- Nach der Rechtsprechung genügt es, dass der Gehilfe seinen Beitrag erbracht hat und der Taterfolg – auch unabhängig von dem Beitrag des Gehilfen – eingetreten ist. Nicht erforderlich ist, dass die Gehilfentätigkeit kausal für den Erfolg war.4
- Nach h.L. muss die Beihilfe für den Erfolg kausal sein; sie muss die Tatbestandsverwirklichung mithin ermöglichen, erleichtern oder intensivieren.5 Argument hierfür ist zum einen der Strafgrund der Teilnahme: Das Rechtsgut werde nur dann angegriffen, wenn sich der Gehilfenbeitrag auch tatsächlich ausgewirkt habe. Zum anderen habe der Gesetzgeber die versuchte Beihilfe gerade nicht unter Strafe stellen wollen; die Grenzen zwischen versuchter und wirkungsloser Beihilfe sind jedoch fließend.6
Klausurproblem: Sukzessive Beihilfe7
Umstritten ist auch, ob Beihilfehandlungen zwischen formeller Vollendung materieller Beendigung der Haupttat nach § 27 StGB strafbar sind, sog. sukzessive Beihilfe. Praxisrelevant sind vor allem Hilfshandlungen im Rahmen der Beutesicherung.
- Nach der Rechtsprechung ist eine sukzessive Beihilfe strafbar.8 Argument: Intensivierung des Unrechts.
- Die h.L. hingegen lehnt eine sukzessive Beihilfe ab. Argumente: Es handele sich nicht mehr um ein Hilfeleisten zur „Tat“, wie vom Wortlaut des § 27 StGB verlangt. Außerdem sei die Abgrenzung zur Begünstigung nach § 257 StGB unklar.
(Hinweis: Das Problem der sukzessiven Beteiligung stellt sich auch bei der Mittäterschaft.)
Klausurproblem: Neutrale Handlungen
Umstritten ist die Strafbarkeit von solchen Handlungen, bei denen der Gehilfe nur seiner alltäglichen oder berufstypischen Betätigung nachgeht.
Bsp.: Ein Taxifahrer fährt seinen Fahrgast an einen Ort, an dem dieser eine Körperverletzung begehen wird. Der Taxifahrer weiß dies oder nimmt es jedenfalls billigend in Kauf.
- Nach einer Ansicht ist bei solchen sozialadäquaten Handlungen die objektive Zurechenbarkeit ausgeschlossen, weil keine rechtlich relevante Gefahrenlage geschaffen wird.9
- Die Rechtsprechung bejaht die Strafbarkeit alltäglicher oder berufstypischer Handlungen grundsätzlich, sofern der Gehilfe mit dolus directus handelt, verneint eine Strafbarkeit also in der Regel bei bloßem dolus eventualis.10
2. Subjektiver Tatbestand
Der Gehilfe muss mit doppeltem Gehilfenvorsatz, also sowohl hinsichtlich der Haupttat als auch bezogen auf seinen Gehilfenbeitrag mindestens mit dolus eventualis, handeln.11 (Eine Ausnahme gilt wie gesagt nach der Rechtsprechung bei alltäglichen oder berufstypischen Handlungen, s.o.)
a) Vorsatz bzgl. der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
Der Gehilfe muss sich die Tat zumindest als „konkret-individualisierbares Geschehen“ vorstellen. Nicht notwendig ist die Kenntnis aller Einzelheiten.12
Bei der Beihilfe sind dabei geringere Anforderungen an die Kenntnis und Bewertung der Tat zu stellen als bei der Anstiftung, weil der Gehilfe lediglich eine ohnehin stattfindende Tat unterstützt und nicht den Anstoß zu einer solchen gibt.13
b) Vorsatz bzgl. des eigenen Gehilfenbeitrags
3. Ggf. Tatbestandsverschiebung nach § 28 Abs. 2 StGB
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
IV. Strafe
Beachte zur Strafzumessung insbesondere § 28 Abs. 1 StGB.
Schlusswort
Ich hoffe, du fandest diesen Überblick zur Beihilfe nach § 27 StGB hilfreich. Wenn du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.
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Quellennachweise:
- Vgl. v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, 50. Edition Stand 01.05.2021 § 26 Rn. 7.
- Koch/Wirth, in: JuS 2010, 203, 204; Kühl, in: JA, 2014, 668.
- BGH, Urteil vom 15.07.1999, Az.: 5 StR 155–99; BGH, Beschluss vom 10.01.2011, Az.: 5 StR 515/10.
- BGH, Urteil vom 01.08.2000, Az.: 5 StR 624/99 ; BGH, Beschluss vom 02.09.2009, Az.: 5 StR 266/09.
- Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB 29. Aufl. 2018, § 27 Rn. 2.
- v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, 50. Edition Stand 01.05.2021 § 27 Rn. 6.
- dazu ausführlich Joecks/Scheinfeld in MüKo StGB/, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 21 ff.
- BGH, Urteil vom 24.06. 1998, Az.: 3 StR 128–98
- v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, 50. Edition Stand 01.05.2021 § 27 Rn. 13.
- BGH, Urteil vom 22.01.2014, Az.: 5 StR 468/12.
- Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB 29. Aufl. 2018, § 27 Rn. 7.
- BGH, Urteil vom 12.11.1957, Az.: 5 StR 505/57; BGH, Urteil vom 18.04.1996, Az.: 1 StR 14/96.
- v. Heintschel-Heinegg, in: BeckOK StGB, 50. Edition Stand 01.05.2021 § 27 Rn. 19.