Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist umstritten und ein Klausurklassiker im Strafrecht. In diesem Artikel zeigen wir Theorien zur Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme sowie die Verortung der Abgrenzung in der Klausur.

Früher in der Literatur vertretene Ansicht: Formell-objektive Theorie

Nach der früher teilweise in der Literatur vertretenen formell-objektiven Theorie kann eine Person nur Täter sein, wenn sie alle objektiven Tatbestandsmerkmale selbst verwirklicht hat.

Gegenargument: Die mittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB, die eine Begehung „durch einen anderen“ vorsieht, spricht entscheidend gegen diese Ansicht, weswegen diese Theorie nicht mehr vertreten wird.1

Frühere Rechtsprechung: Extrem subjektive Theorie / Animustheorie

Nach der früher von der Rechtsprechung vertretenen extrem subjektiven Theorie (auch Animustheorie genannt) ist Anknüpfungspunkt der innere Wille des Täters zur Tat: Will er die Tat als eigene, handelt er mit „animus auctoris“ und ist somit Täter. Will er dagegen lediglich eine fremde Tat unterstützen, handelt er mit „animus socii“ und ist Teilnehmer.2

Das RG vertrat diese Ansicht derart extrem, dass auf der einen Seite derjenige nur Teilnehmer war, der die Tat vollständig selbst verwirklicht hat, so im „Badewannen-Fall“.3 Auf der anderen Seite konnte derjenige Täter sein, der keine objektiven Tatbestandsmerkmale selbst verwirklicht hat.

Gegenargument: Diese Ansicht ist mit § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB, nach dem Täter ist, wer die Tat „selbst“ begeht, nicht vereinbar. Zudem ist die Abgrenzung zwischen animus auctoris und animus socii zu unbestimmt und führt so zu Rechtsunsicherheit.4 Die extrem subjektive Theorie wird heute nicht mehr vertreten.

H.L.:5 Tatherrschaftslehre

Nach der heute herrschenden Lehre ist entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen Täterschaft und Teilnahme die Tatherrschaft: Täter ist, wer die Tat beherrscht.

Tatherrschaft wird dabei als das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs definiert.6

Täter ist hiernach, wer als „Zentralfigur“ des Geschehens die planvoll-lenkende oder mitgestaltende Tatherrschaft besitzt.7 Wer lediglich als Randfigur das Geschehen veranlasst oder fördert, ist Teilnehmer.

Die Tatherrschaft kann dabei ebenso wie die Täterschaft in unterschiedlichen Formen auftreten:8

  • Die unmittelbare (Allein)täterschaft nach § 25 Abs. 1. Var. 1 StGB hat inne, wer selbst alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale ohne Zurechnungserfordernis erfüllt und somit die Handlungsherrschaft innehat.
  • Der mittelbare Täter nach § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB hat Tatherrschaft in Form von Wissens-, Willensherrschaft oder ggf. Organisationsherrschaft inne.
  • Der Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB hat eine sogenannte funktionale Tatherrschaft inne. Funktionale Tatherrschaft bedeutet, dass jeder Mittäter aufgrund und im Rahmen des Tatplans einen Beitrag leistet, wodurch der arbeitsteilige Charakter entsteht.9

Heutige Rspr.: Normative Kombinationstheorie

Heutzutage vertritt die Rechtsprechung zwar immer noch eine subjektive Theorie, zieht ergänzend aber objektive Kriterien heran.10

Relevante Kriterien sind nach der normativen Kombinationstheorie insbesondere:

  • Art und Umfang der Tatbeteiligung
  • Relevanz des Tatbeitrags
  • ein Eigeninteresse des Beteiligten
  • ob die Beteiligten sich eher gleichberechtigt oder in einem Über-Unterordnungsverhältnis zueinander befinden und
  • die Beteiligung an der Beute.11

Standort der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in der Klausur

Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme wird vor allem bei der Prüfung der Mittäterschaft relevant und ist dort im Prüfungspunkt „Gemeinsame Tatausführung“ vorzunehmen.

Eine Abgrenzung ist nicht erforderlich, wenn eine Person besondere Voraussetzungen erfüllen muss, um Täter zu sein und diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Denn dann scheidet eine Täterschaft in jedem Fall aus. Dies ist der Fall bei

Liegt keine dieser Fallgruppen vor, ist eine Abgrenzung vorzunehmen. Da die formell-objektive und die extrem subjektive Theorie nicht mehr vertreten werden und die anderen beiden Theorien in der Regel zum selben Ergebnis kommen, kann ein Streitentscheid in der Klausur jedoch regelmäßig dahinstehen.

Welcher Theorie man folgt, hat außerdem Einfluss auf die Argumentation beim Streit um die sukzessive Mittäterschaft und um das Tätigwerden nur im Vorbereitungsstadium (die ebenfalls unter dem Prüfungspunkt „Gemeinsame Tatausführung“ geprüft werden). Mehr dazu findest du in Schema & Zusammenfassung zur Mittäterschaft.

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest diese Übersicht zur Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, Vorb. zu §§ 25 ff. Rn. 51.
  2. RG, Beschluss vom 19.02.1940, Az.: 3 D 69/40;  BGH, Urteil vom 19. 10. 1962 – 9 StE 4/62.
  3. RG, Beschluss vom 19.02.1940, Az.: 3 D 69/40.
  4. Kudlich, in: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 50. Edition, Stand: 01.05.2021, § 25 Rn. 12.2.
  5. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, Vorb. zu §§ 25 ff. Rn. 57 mit weiteren Nachweisen.
  6. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, Vorb. zu §§ 25 ff. Rn. 57.
  7. nach Roxin, Strafrecht AT II, 2003, § 25 Rn. 10 ff.
  8. Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, Vorb. zu §§ 25 ff. Rn. 58.
  9. Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, 49. Auflage 2019, Rn. 819.
  10. BGH, Beschluss vom 15.01.1991, Az.: 5 StR 492/90.
  11. BGH, Beschluss vom 29. September 2015, Az.: 3 StR 336/15; BGH, Beschluss vom 19.11.2019, Az.: 4 StR 449/19.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt und Merle Hamm

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach einigen Jahren in Großkanzleien arbeitet er heute als Syndikusrechtsanwalt in einem DAX-Konzern. Merle hat ihr Jurastudium mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsstrafrecht in Bremen absolviert und bereitet sich derzeit auf das Referendariat vor.

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