Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch dient der Abwehr hoheitlicher Beeinträchtigungen. Er ist gesetzlich nicht geregelt, wird aber von Literatur und Rechtsprechung uneingeschränkt anerkannt.

Der öffentliche-rechtliche Unterlassungsanspruch entspricht in etwa dem quasinegatorischen Unterlassungsanspruch aus dem Zivilrecht und spielt immer dann eine Rolle, wenn der Bürger durch rechtswidriges hoheitliches Handeln beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt zu werden droht.

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zum öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch mit Definitionen und Erläuterungen.

Zunächst ein Kurzschema zum öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ohne Definitionen:

A. Hoheitliche Maßnahme

B. Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen

C. Beeinträchtigung droht oder dauert noch an

D. Rechtswidrigkeit (= keine Duldungspflicht)

E. Rechtsfolgen

Sodann ein ausführliches Schema zum öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch mit Definitionen und Klausurproblemen:

A. Hoheitliche Maßnahme

Der Inbegriff einer hoheitlichen Maßnahme ist natürlich der (drohende) Verwaltungsakt. Allerdings können auch Realakte als schlicht-hoheitliches Handeln eine hoheitliche Maßnahme darstellen.1

Gerade bei Realakten kann die Abgrenzung zwischen hoheitlichem und privatem Handlen schwierig sein. Es muss dann anhand des Handlungskontextes ermittelt werden, ob die Handlung als Teil der Amtsausübung oder als rein privat anzusehen ist.2

  • Ein Klausurklassiker ist die Äußerung eines öffentlich Bediensteten (Beispiel: Der Bürgermeister einer Gemeinde äußert sich öffentlich abfällig über ein Unternehmen). Indizien für die Abgrenzung sind hier etwa die Wahl der Kommunikationsmittel (Internetseite der Gemeinde vs. private Facebookseite), ob die Äußerung während oder außerhalb der Dienstzeit erfolgte und ob ein Zusammenhang zu vorangegangenen Diensthandlungen besteht.

B. Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen

Die (ggf. noch bevorstehende) hoheitliche Maßnahme muss sich als Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive (öffentliche) Rechte des Betroffenen darstellen.3

  • Ein subjektives (öffentliches) Recht ist die dem Einzelnen kraft Öffentlichen Rechts zuerkannte Rechtsmacht, zur Verfolgung eigener Interessen vom Staat ein bestimmtes Verhalten (Tun, Dulden oder Unterlassen) verlangen zu können.4

C. Beeinträchtigung droht oder dauert noch an

Da der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch nur auf Erhaltung des status quo bzw. status quo ante abzielt,5 ist er nicht einschlägig, wenn die beeinträchtigende Handlung bereits beendet ist und keine Wiederholung droht. Dann ist vor allem an den Folgenbeseitigungsanspruch oder den Amtshaftungsanspruch zu denken.

Das Drohen einer noch nicht eingetretenen Beeinträchtigung wird vermutet, wenn eine vergleichbare Beeinträchtigung in der Vergangenheit bereits stattgefunden hat (Wiederholungsgefahr).

Vor einer erstmaligen Beeinträchtigung müssen hingegen konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, dass die Realisierung der angenommenen Beeinträchtigung ernsthaft wahrscheinlich ist.6

D. Rechtswidrigkeit (= keine Duldungspflicht)

Die Beeinträchtigung ist nicht rechtswidrig, wenn der Betroffene zur Duldung verpflichtet ist.7

Ob die Beeinträchtigung zu dulden und damit rechtmäßig ist, richtet sich zuvorderst nach den allgemeinen Gesetzen und – unabhängig von der zugrunde gelegten dogmatischen Grundlage – nicht nach der Schwere des Grundrechtseingriffs. So können etwa auch Beeinträchtigungen unterhalb der Schwelle zur Gesundheitsschädigung oder zum unzumutbaren Eigentumseingriff rechtswidrig sein.8

  • Bei Immissionen ist für die Duldungspflicht regelmäßig auf die Wertungen der §§ 22 Abs. 1, 3 Abs. 1 BImSchG9 und die damit verbundenen Verwaltungsvorschriften (TA Luft, TA Lärm)10 abzustellen.11
  • Beim Überbau von Gebäuden kann vertretbar § 912 BGB herangezogen werden, wobei von der Anwendung auf andere Bauwerke abgesehen werden sollte.12
  • Bei Äußerungen von Amtsträgern ist das Willkürverbot zu beachten, weshalb „Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen dürfen, d.h. bei verständiger Beurteilung auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen müssen, und zudem den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten“.13

E. Rechtsfolgen

Sind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ist der Hoheitsträger zur Unterlassung der rechtswidrigen Maßnahme verpflichtet.

Sein Restitutionsinteresse kann der Betroffene hingegen nicht über den Unterlassungs- sondern über den Folgenbeseitigungs- oder Amtshaftungsanspruch geltend machen.

Für den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ist stets der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet.14

Dogmatische Herleitung des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs

Die dogmatische Herleitung der Anspruchsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ist nicht final geklärt, für die Prüfung aber auch irrelevant, weil Einigkeit über die Anspruchsvoraussetzungen besteht.

Die Rechtsprechung wendet den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ohne weiteres an und lässt offen, ob er sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 1004, 906 BGB oder direkt aus den Grundrechten (Art. 2 Abs. 2, 14 Abs. 1 GG) ergibt.15 Darüber hinaus ließe sich auch auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) oder schlicht auf Gewohnheitsrecht abstellen.

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zum öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 18 Rn. 225, 230.
  2. Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 18 Rn. 230.
  3. BVerwG Az.: 7 B 54/10.
  4. Vgl. Voßkuhle, JuS 2009, 16 (17)
  5. Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 18 Rn. 227.
  6. Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 18 Rn. 231.
  7. Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 18 Rn. 232.
  8. BVerwG Az.: 7 C 33/87.
  9. BVerwG Az.: 7 C 33/87.
  10. Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 18 Rn. 232.
  11. Vgl. dazu den Rechtsprechungsklassiker zum kirchlichen Glockengeläute BVerwG Az.: 7 C 44/81
  12. Vgl. VGH München, Beschluss vom 17.04.2000 – 8 ZB 00.671.
  13. BVerwG Az.: 7 B 54/10.
  14. Vgl. BVerwG Az.: 7 C 44/81.
  15. Vgl. etwa BVerwG Az.: 7 C 33/87.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia.

Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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