Im Rechtsreferendariat hast du ein Problem: Du vergisst jeden Tag ein bisschen mehr von dem materiellen Recht, das du für das erste Examen gelernt hast. Wenn du vorher noch promoviert hast, ist wahrscheinlich schon zu Beginn des Referendariats ziemlich viel wieder weg.

Also musst du das materielle Recht im Jura-Referendariat wiederholen.

Nur wann? Schließlich hast du für das zweite Staatsexamen auch jede Menge neuen Stoff zu bewältigen, musst deine Stationsarbeit schaffen und hast vielleicht sogar noch einen Nebenjob. Zeit fürs Wiederholen bleibt dir eigentlich kaum.

Deshalb musst du aus der wenigen Zeit, die du hast, das Beste machen. Dann kannst du die Wiederholung des materiellen Rechts vorm zweiten Examen auch schaffen. Die folgenden Tipps werden dir dabei helfen:

1. Du brauchst weniger materiell-rechtliches Wissen als im ersten Examen.

Eine wirklich gute Nachricht: Im zweiten Staatsexamen werden generell weniger Detailprobleme und diese insgesamt auch weniger tiefgehend abgefragt als im ersten Staatsexamen (vgl. u.a. anschaulich zum Bereichungsrecht: Kaiser, Materielles Zivilrecht im Assessorexamen, in der 6. Auflage war es Rn. 64)

Außerdem fragen die Klausuren im zweiten Examen viel weniger Meinungsstreits ab als im ersten Examen. Meistens wäre es sogar falsch, einen Meinungsstreit darzustellen. In vielen Fällen folgst du im zweiten Staatsexamen einfach der Rechtsprechung. Nur wenige große Meinungsstreits musst du tatsächlich noch darstellen.

Das heißt: Die meisten materiell-rechtlichen Meinungsstreits musst du im zweiten Examen gar nicht mehr kennen, brauchst sie im Referendariat also auch nicht zu wiederholen!

2. Lerne nicht mit deinen Materialien aus dem Studium.

Das ergibt sich teilweise schon aus den Ausführungen zu Punkt 1. Deine Unterlagen aus dem Studium sind viel zu ausführlich und haben nicht den Fokus auf die Rechtsprechung, der für das zweite Examen nötig ist. Außerdem setzen sie falsche Schwerpunkte. Im zweiten Examen werden nämlich andere Rechtsgebiete relevant als im ersten. Z.B. spielt im Zivilrecht auf einmal das Anfechtungsgesetz und der Prozessvergleich eine wichtigere Rolle. Im öffentlichen Recht werden regelmäßig eine größere Anzahl von Bundesgesetzen abgefragt, während im Landesrecht eher weniger Spezialkenntnisse vorausgesetzt werden.

3. Lies weniger, lerne mehr.

Warum du Skripten zum Materiellen Recht nicht komplett lesen solltest

Die Standard-Literatur zum materiellen Recht im Assessorexamen sind die Kaiser-Skripten Materielles Zivilrecht im Assessorexamen*, Materielles Öffentliches Recht im Assessorexamen* und Materielles Strafrecht im Assessorexamen*. Wenn man die alle drauf hat, dann ist man materiell-rechtlich wirklich gut vorbereitet.

Aber Vorsicht, hier liegt eine Falle versteckt! Dieses Aussage ist nämlich ein bisschen so wie: „Wenn man den Palandt richtig drauf hat, ist man im materiellen Zivilrecht gut vorbereitet“. Die materiell-rechtlichen Skripten von Kaiser sind zusammengenommen ca. 800 Seiten lang und extrem verdichtet. Die allerallerallermeisten Referendare (d.h. alle außer die Sheldon Coopers unter uns) werden die materiellen Kaiser-Skripten nie „richtig draufhaben“. Erst Recht nicht durch ein oder zweimal Lesen. Man merkt sich beim einfachen Lesen nämlich immer nur einen kleinen Teil des gelesenen Stoffes.

Die meisten meiner Referendarskollegen haben es ohnehin nicht einmal geschafft, alle drei materiell-rechtlichen Skripten auch nur einmal zu lesen. Die anderen haben mir hinterher erzählt, dass sie das meiste noch vor dem Examen wieder vergessen haben.

Wie du das materielle Recht im Referendariat stattdessen wiederholen solltest

Du solltest deshalb nach dem „Weniger ist mehr“ Prinzip vorgehen. Setze beim Lernen lieber kluge Schwerpunkte und lerne eine begrenzte Menge materiell-rechtlichen Stoff richtig, als dass du einen Riesenhaufen liest und dann wieder vergisst.

Das deckt sich nicht nur mit der allgemeinen „Weniger ist mehr“ Empfehlung von Dr. Matthias Schulz von Zentrum für Juristisches Lernen der Bucerius Law School, sondern auch mit der Empfehlung von Torsten Kaiser selbst.

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Torsten Kaiser ist Gesellschafter der Kaiserseminare, welche die Kaiserskripten herausgeben. In seinen Wochenendseminaren rät er immer wieder ausdrücklich davon ab, die materiell-rechtlichen Skripten komplett zu lesen! Stattdessen solle man zu den Kaiser-Crashkursseminaren gehen, sich Mitschriften anfertigen und anhand derer den Stoff wiederholen.

Crashkurse statt Skripten

Diese Empfehlung kann ich nur bestätigen. Meine Crash-Kurs Mitschriften sind 40-60 Seiten lang. In der Zeit, die man braucht, um ein komplettes Skript zu lesen, kann man so eine Mitschrift fünf Mal wiederholen.

Natürlich müssen es nicht die Wochenendkurse von Kaiser sein. Auch andere Repetitorien bieten Kurse im materiellen Recht an, teilweise auch als Wochenendkurse. Ich kenne aus persönlicher Erfahrung allerdings nur die Kaiserseminare. Dort war ich insgesamt sehr zufrieden.

Die Skripten zum materiellen Recht ziehst du dann nur noch ergänzend heran, wo du sie besonders brauchst. Ich habe z.B. im Zivilrecht einzelne Aspekte nachgeschlagen, wie den Teil zum Anfechtungsgesetz, zum Schadensausgleich bei Verkehrsunfällen und zum Prozessvergleich. Im Strafrecht habe ich nur Teile des AT-Teils ganz vorne gelesen. Lediglich im öffentlichen Recht habe ich das ganze Skript knapp zwei Mal durchgearbeitet. Hintergrund war, dass man im öffentlichen Recht für das Materielle Recht keinen Kommentar zur Verfügung hat und in diesem Rechtsgebiet auch am wenigsten neuer prozessualer Stoff hinzukommt.

Materielles Recht klausurbezogen lernen

Als weitere Unterstützung zum Lernen und Wiederholen des materiellen Rechts und als Ersatz für umfangreiches Skripten-Lesen solltest du im Referendariat möglichst viele Klausurfälle skizzenhaft durchzulösen. Das hat mehrere Vorteile:

  • Du beschäftigst dich mit materiellem Recht.
  • Du bekommst ein Gefühl dafür, welche materiell-rechtlichen Fragestellungen im zweiten Staatsexamen relevant sind.
  • Du lernst anwendungsbezogen, wie du materielles Recht in der Assessorklausur darstellst.
  • Du schaffst wesentlich mehr Übungsklausuren, als wenn du deine Lösung immer ausformulierst (Das heißt nicht, dass du auf das normale Schreiben von Übungsklausuren verzichten solltest. Du solltest nur zusätzlich zu den geschriebenen Übungsklausuren so viele wie möglich in Skizzenform durchlösen).

Mit deiner Lerngruppe

Zusätzlich kannst du das materielle Recht auch gezielt mit deiner Jura-Lerngruppe wiederholen.

Dazu bietet sich z.B. der Jura-Talk an. Auch Abfragetechniken oder Spiele funktionieren zur Wiederholung des materiellen Rechts. Allerdings solltet ihr nicht zu kleinteilig fragen, sondern euch auf Prüfungsschemata und Kernprobleme konzentrieren (Den Jura-Talk, Abfragetechniken für die Lerngruppe und ein Lerngruppenspiel habe ich hier im Detail erklärt).

Eine weitere Lerngruppenidee, die speziell für das materielle Recht gut geeignet ist, ist das Vorbereiten von Unterrichtsstunden. Dabei bereitet einer von euch ein Thema vor, z.B. „Das wichtigste materiell-rechtliche Wissen zum Verkehrsunfall.“ Dieses Thema bringt er dann in der Lerngruppe den anderen mittels Präsentationen und Fragen näher.

Zusammenfassung

Zusammenfassend solltest du beim Wiederholen des materiellen Rechts im Referendariat also Folgendes beachten:

Lerne spezifisch für das zweite Staatsexamen und wiederhole nicht einfach den Stoff aus dem ersten. Lerne nicht zu breit, sondern lass dir vom Repetitor Schwerpunkte vermitteln und lerne diese Schwerpunkte besonders intensiv. Ergänze dein abstraktes Lernen durch anwendungsbezogenes Klausurenlösen und Lerngruppen-Sessions.

Tipps zum Lernen anderer Rechtsgebiete im Referendariat findest Du in meinem Artikel zu den besten Lernmaterialien für das zweite Staatsexamen.

* Wenn ich beim Kauf über meinen Link eine kleine Umsatzbeteiligung bekomme, kennzeichne ich das mit einem Sternchen. Ich empfehle dir nur Materialien, die ich persönlich getestet habe und besonders gut finde. Der Preis der Produkte ändert sich dadurch für dich nicht. Für jede Materialie, die ich empfehle, gibt es mehrere, für deren Empfehlung ich ebenfalls eine Provision erhalten könnte, die ich jedoch nicht empfehle, einfach weil ich sie nicht für die Beste halte oder sie noch nicht selbst getestet habe.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia.

Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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