Um gute Jura-Klausuren zu schreiben, musst du die Probleme des Falles mit einer sauberen Argumentation vertretbar lösen.

Dafür musst du sie aber überhaupt erst einmal erkennen.

In diesem Beitrag zeige ich dir deshalb meine besten Tipps, um Probleme in Jura-Klausuren aufzuspüren und Klausurschwerpunkte als solche zu erkennen:

Trigger-Worte für Klausurprobleme

Bestimmte Worte deuten daraufhin, dass es ein Problem zu adressieren gibt. Ich nenne solche Worte “Trigger-Worte”, weil sie einen automatischen Reflex des Genauer-Hinsehens bei dir auslösen sollten. Beispiele für Trigger-Worte sind:

  • Jedoch
    “Assistent A vergisst jedoch, die Nachricht an seine Chefin C weiterzugeben.”
  • Allerdings
    Allerdings unterlässt Bauarbeiter B es, die Lücke im Bauzaun nach dem Hinaussteigen wieder zu schließen.”
  • Doch
    Doch A hält sich nicht an den Tatplan und nimmt eine Pistole mit.”
  • Vielmehr
    Vielmehr habe ein Vertragsschluss erst beim zweiten Telefonat stattgefunden.”
  • Stattdessen
    Stattdessen verlangt B auf einmal 200€ für die Uhr. Der Vertreter V erklärt trotzdem im Namen des A, die Uhr zu kaufen.”
  • Trotzdem oder Dennoch
    “Stattdessen verlangt B auf einmal 200€ für die Uhr. Der Vertreter V erklärt trotzdem im Namen des A, die Uhr zu kaufen.”
  • Vergisst
    “Assistent A vergisst jedoch, die Nachricht an seine Chefin C weiterzugeben.”
  • Versehentlich
    “Nachdem Assistent A den Brief aus dem Briefkasten geholt hat, wirft er ihn versehentlich mit der Werbung in den Müll.”
  • Unterlässt
    “Allerdings unterlässt Bauarbeiter B es, die Lücke im Bauzaun nach dem Hinaussteigen wieder zu schließen.”

Zeitangaben

Zeitangaben sind im Grunde eine Form von Trigger-Worten. Sie sind aber so häufig und wichtig, dass ich ihnen eine eigene Überschrift gegönnt habe.

Beispiele:

“Am 5. April warf Postbotin P das Schreiben bei B in den Briefkasten.”

“Nach 3 Jahren findet Rechtsanwältin B endlich die Zeit, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen.”

Anführungszeichen

Auch Anführungszeichen sind ein Sonderfall eines “Triggers”. 

Beispiel:

Als A gerade die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, blinkte in dem von B “gemieteten” Auto auf einmal die Ölstandswarnung.

Hier weist der Klausurersteller durch die Anführungszeichen mit dem Zaunpfahl darauf hin, dass es sich möglicherweise nicht um eine Miete handelt. Du wirst wahrscheinlich zumindest kurz den einschlägigen Vertragstyp von der Miete abgrenzen müssen.

Äußerungen von Personen zeigen Schwerpunkte

Typischerweise wird der Sachverhaltsersteller (w/d/m) Personen nur zu Themen zu Wort kommen lassen, die in irgendeiner Form rechtlich problematisch sind. Deshalb solltest du dich mit in direkter oder indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen gedanklich immer genau beschäftigen.

Beispiel:

[…]

Als A gerade die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, blinkte in dem von B “gemieteten” Auto auf einmal die Ölstandswarnung. Da A technisch unbedarft ist, fuhr er in die nächste Werkstatt und ließ dort Öl nachfüllen. Hierfür stellte die Werkstatt ihm EUR 50 in Rechnung.

Als A später B um Erstattung der EUR 50 bat, weigerte sich dieser. 

A beschwert sich, dass B selbstverständlich die Kosten für den Ölwechsel im Fahrzeug übernehmen müsse. Schließlich habe A, als die Ölstandswarnung auf der Autobahn zu blinken begann, gar keine andere Wahl gehabt, als selbständig und auf seine Kosten Öl nachzufüllen. Außerdem müsse der Vermieter doch immer für die Funktionstüchtigkeit der Sache einstehen. 

Hier weist der Klausurersteller durch die Anführungszeichen mit dem Zaunpfahl darauf hin, dass möglicherweise keine Miete vorliegt. Du solltest deshalb an andere Vertragstypen denken (dazu schon oben).

Durch den weiteren Kontext drängen sich vor allem Vertragstypen auf, bei denen der Verwendungsersatz anders geregelt ist als bei der Miete.  Naheliegend wäre hier – je nach weiterem Sachverhalt, dass der Klausurersteller auf eine Leihe hinaus will (siehe dort § 601 BGB zum Verwendungsersatz).

Die in indirekter Rede vorgebrachten Argumente des A deuten weiter daraufhin, dass die Frage, ob ersatzfähige Verwendungen vorliegen, ein Problem des Falles ist.

Probleme, zu denen sich die am Sachverhalt beteiligten Personen intensiv äußern, sind oft Schwerpunkte der Klausur.

Vertragsklauseln

Ist der Wortlaut von Vertragsklauseln abgedruckt, wird dort regelmäßig ein Problem und oft sogar ein zentraler Schwerpunkt des Falles liegen.

Die Normalfallmethode

Bei der von Prof. Dr. Fritjof Haft entwickelten Normallfallmethode fragst du dich, ob eine Konstellation vom gesetzlich vorgesehen Normalfall abweicht. Wenn ja, dann ist hier wahrscheinlich ein Problem und du musst argumentieren.

Beispiel:

A und B erwarten ein Kind K. Als B im 9. Monat schwanger ist, erfährt A, dass K nicht von ihm ist, sondern von seinem langjährigen Feind F. Mit dem Ziel, eine Lebendgeburt zu verhindern, tritt A der B mit voller Wucht in den Bauch. Es kommt auf der Stelle zu einer Totgeburt.

Strafbarkeit des A nach § 212 StGB?

“Normalfall” des § 212 StGB ist die Tötung eines Menschen nach dessen Geburt. Die Tötung eines ungeborenen Menschen weicht von diesem Normalfall ab. Hier wird also ein Problem liegen, dass du diskutieren solltest. (Mehr zu Beginn und Ende des von § 212 StGB geschützten Lebens in Schema & Zusammenfassung zum Totschlag.)

Der Errötens-Test für Subsumtionen

Ein ähnlicher Test wie die Normallfallmethode ist der Errötens-Test, der sich besonders für Subsumtionen eignet.

Dabei fragst du dich, ob jemand bei der Subsumtion vor einer großen Anzahl Menschen eine andere Meinung vertreten könnte, ohne rot zu werden.

Wenn er das nicht könnte, sondern beim Vertreten der Gegenmeinung knallrot anlaufen würde, dann liegt hier wahrscheinlich zumindest kein großes Problem. Lässt sich die Gegenansicht hingegen vertreten, ohne rot zu werden, musst du bei der Subsumtion wahrscheinlich argumentieren. 

Beispiel 1:

Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB bei Anzünden einer kleinen Dackel-Hundehütte?

Dem Wortlaut nach mag man eine Hundehütte noch unter den Begriff der “Hütte” subsumieren können. Allerdings zeigt ein Vergleich zur Variante “Gebäude” und die Höhe der Strafandrohung, dass mit “Hütte” lediglich solche Hütten gemeint sind, die dem Aufenthalt von Menschen dienen können.1

Wenn ich die Dackelhütte unter den Hüttenbegriff des § 306 StGB Abs. 1 Nr. 1 StGB subsumiert hätte und mir dann jemand diese Argumentation vorhalten würde, würde ich wahrscheinlich schon ein bisschen rot werden.

Das wäre für mich ein Zeichen, die Ablehnung der Einordnung als Hütte zwar kurz zu begründen, hier aber keinen Klausurschwerpunkt zu setzen.

Beispiel 2:

Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB bei Anzünden einer großen Hundehütte für eine Dogge, in der auch regelmäßig kleine Kinder spielen?

Zwar mag die Hundehütte ursprünglich für die Nutzung durch Hunde gebaut sein. Faktisch ist sie aber auch durch Kinder nutzbar und wird auch von diesen genutzt.

Hier hätte ich kein Problem damit, auch vor einer großen Gruppe in beide Richtungen zu argumentieren, ohne rot zu werden. Ich würde die Subsumtion deshalb in der Klausur deutlich ausführlicher diskutieren. 

Der Fairness-Test

Wenn du einen in sich geschlossenen Teil deiner Klausurlösung durchskizziert hast, solltest du immer kurz innehalten und dich fragen, ob du das Ergebnis “fair” findest, ob es also mit deinem Rechtsgefühl übereinstimmt.

Wenn nicht, kann es gut sein, dass du ein Problem übersehen hast, z.B. dass eine teleologische Reduktion oder eine Analogie zu diskutieren wäre. 

Wozu steht viel im Sachverhalt?

Wenn zu einem bestimmten Sachverhaltsbestandteil sehr viel Text im Sachverhalt steht, werden dort häufig ein oder mehrere Probleme und eventuell sogar ein Klausurschwerpunkt liegen. 

Der Wink mit zwei Zaunpfählen

In seltenen Fällen findet sich am Ende des Sachverhalts ein Hinweis:

 “Auf ____ wird hingewiesen.”

Beispiel: 

“Auf die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis wird hingewiesen.”

In solchen Fällen ist es gut möglich, dass die Klausur mit den genannten Regelungen steht und fällt und der Klausurersteller deshalb sicherstellen wollte, dass du sie nicht übersiehst. 

Weiterführende Ressourcen

Wenn es dir in Jura-Klausuren schwerfällt, Probleme und Schwerpunkte zu erkennen, sei beruhigt: Jura-Klausuren kann man und muss man üben. Außerdem lassen sich einige Probleme auch nur realistisch erkennen, wenn man die dahinterstehenden Meinungsstreits kennt.

Hier ein paar Ressourcen, die ich empfehle, um deine Jura-Klausuren weiter zu verbessern:

Kostenlose Schemata und Zusammenfassungen mit den wichtigsten Klausurproblemen zu verschiedenen Normen und Tatbeständen. Die Zusammenfassungen geben dir die Wissensbasis, um Klausurprobleme zu kennen und zu erkennen.

Gemeinsam mit einem High-End Repetitorium habe ich ein Einzel-Klausurentraining entwickelt, was dir hilft, deine Klausurkompentenzen zu verbessern. Ziel ist, mit wenigen handbegleiteten Übungsklausuren große Verbesserungen zu erreichen. Erfahre mehr.

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Quellennachweise:

  1. Heintschel-Heinegg, in Beck-OK StGB, 50. Edition Stand 01.05.2021, § 306 Rn. 7.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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