Du möchtest in einer Großkanzlei oder mittelständischen Kanzlei einsteigen, bist aber unsicher, in welcher? Willkommen im Klub. Die richtige Kanzlei für den Berufseinstieg zu finden, ist nicht einfach.

Für Außenstehende ist es schwierig, Unterschiede zwischen mehreren großen Kanzleien zu identifizieren. In diesem Artikel möchte ich Dir ein paar Tipps dazu geben, worauf Du achten solltest.

Gehälter richtig recherchieren: Lass Dich nicht vom Einstiegsgehalt blenden

Beim Gehalt werben Kanzleien gerne mit ihren Einstiegsgehältern. Diese solltest Du Dir natürlich anschauen, aber aufhören darfst Du dort nicht. Stattdessen solltet Dich zusätzlich mit folgenden Fragen beschäftigen:

  • Wie geht die Gehaltsstaffelung nach dem ersten Jahr weiter? Oft vermittelt das Einstiegsgehalt den Eindruck, dass Kanzleien vergütungstechnisch recht dicht beieinander liegen. Wenn man sich aber die Vergütungsstaffelung bis zum sechsten Jahr anschaut, dann klaffen auf einmal enorme Unterschiede auf.
  • Gibt es Bonuszahlungen? Wie hoch sind diese? Nach welchen Kriterien werden sie ausgeschüttet?
  • Ist die Vergütung standortabhängig? Einige Kanzleien zahlen an allen Standorten gleich viel, andere differenzieren je nach Lebenskosten und Bewerbermarkt der jeweiligen Stadt.

Du wirst im Internet auf viele dieser Fragen Antworten finden, aber nicht immer auf alle. Offene Fragen kannst Du jedoch direkt mit der jeweiligen Kanzlei besprechen.

Leverage

Der Leverage bezeichnet das Verhältnis von Partnern zu angestellten Anwälten. Wenn Dir viel Partnerkontakt wichtig ist, solltest Du tendenziell eher ein Team mit einem niedrigen Leverage auswählen, also ein Team, in dem möglichst wenige Associates für möglichst viele Partner arbeiten. Auf der anderen Seite bedeutet das auch, dass die Arbeit sich auf weniger Köpfe verteilt und Mandatsspitzen, Krankheitsausfälle und Urlaube schlechter abgefedert werden können.

Ein hoher Leverage kann (muss aber nicht) außerdem eine höhere Profitabilität pro Partner bedeuten. Dafür kommen auch mehr Partnerkandidaten auf eine neu zu schaffende Partnerposition. Die Chancen, Partner zu werden, sind bei einem hohen Leverage in der Tendenz also schlechter.

Unternehmenskultur: Fühlst Du Dich dort wohl?

Zur Unternehmenskultur gehören natürlich unendlich viele Facetten, die im Vorfeld teilweise schwer zu recherchieren sind. Ein erstes Gefühl kannst Du aber schon mit einer einfachen Internetrecherche bekommen.

Ist eine Promotion Einstellungsvoraussetzung? Ist sie Voraussetzung um Partner zu werden? Beides spricht für ein eher traditionell deutsches Kanzleiverständnis.

Oder wirbt die Kanzlei damit, dass Du dort auch im T-Shirt arbeiten kannst? Das wäre ein Hinweis auf eine stärker anglo-amerikanisch geprägte, bewusst modern getrimmte Unternehmenskultur.

Was Du zu diesen Themen online nicht herausfindest, kannst Du gut Associates bei den üblichen Bewerbungsmittagessen fragen. Wie ist die Kleiderordnung, wenn keine Mandanten im Büro sind? Tragen die Anwälte trotzdem Sakko und Krawatte? Oder genügt es, wenn beides im Büro für den Mandantenkontakt bereit hängt?

Gerade solche Fragen können übrigens innerhalb einer Kanzlei an verschiedenen Standorten auch unterschiedlich gehandhabt werden.

Außerdem würde ich Dir empfehlen, im Bewerbungsgespräch (ggf. den Associates) Fragen zur Kanzleikultur zu stellen. Dazu gehört auch die Frage, wann und wie die Partner Feedback geben. Konkrete Beispiele und Tipps dafür gebe ich Dir in meinem kostenlosen Jobfindungs- und Bewerbungskurs für Juristen.

Für und mit wem wirst Du in der jeweiligen Kanzlei arbeiten?

Neben der Kanzlei, für die du arbeitest, ist auch wichtig, für welche Partner und in welchem Team Du arbeitest.

Feedback-Kultur, in Deine Ausbildung investierte Zeit, allgemeiner Umgang, Team-Spirit und Arbeitsbelastung können sich auch innerhalb derselben Kanzlei je nach Team und Partner unterscheiden.

Deshalb solltest Du Dich informieren, welche Partner am jeweiligen Standort Dein Rechtsgebiet bearbeiten und Dich über diese und die Arbeit für diese Partner so gut informieren, wie es geht.

Dazu kann es hilfreich sein, schon im Vorfeld Deiner Bewerbung Associates zu kontaktieren, die für die jeweiligen Partner arbeiten oder gearbeitet haben. Manchmal findest Du solche Associates im Alumni-Netzwerk Deiner Uni. Du kannst Associates aber auch über Xing, LinkedIn oder die Kanzleimail kontaktieren und um ein kurzes Gespräch bitten.

Das klappt nicht immer, aber wenn Du es richtig angehst schon recht oft. Alternativ kannst Du im Bewerbungsprozess darum bitten, mit Associates aus dem jeweiligen Team zu sprechen. In der Regel ist das aber automatisch schon Teil des Prozesses.

Den Associates kannst Du dann Fragen wie die Folgenden stellen:

  • Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß und was am wenigsten?
  • Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit X von der Zusammenarbeit mit anderen Chefs?
  • Welche Partner sind in Ihrer Kanzlei bei den Associates am beliebtesten?
  • Wie bekommen Sie normalerweise Feedback?

Weitere Fragen, mit deren Hilfe Du feststellen kannst, ob eine Kanzlei wirklich zu Dir passt, findest Du hier.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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