Definition der Geschäftsunfähigkeit: wer geschäftsunfähig ist

Geschäftsunfähig ist gemäß § 104 BGB, wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat oder wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

Was Geschäftsunfähigkeit bedeutet

Wer geschäftsunfähig ist, kann keine rechtsverbindlichen Willenserklärungen abgeben und empfangen.1 Gemäß § 131 Abs. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die gegenüber einem Geschäftsunfähigen abgegeben wird, erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen zugeht.

Das bedeutet insbesondere, dass Geschäftsunfähige selbst keine Verträge abschließen können.

Wann man genau geschäftsunfähig ist

Bei der Geschäftsfähigkeit ist gemäß § 104 BGB zu unterscheiden zwischen der altersbedingten Geschäftsunfähigkeit (Nr. 1) und der Geschäftsunfähigkeit wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit (Nr. 2).

1. Altersbedingte Geschäftsunfähigkeit

Nach § 104 Nr. 1 BGB ist altersbedingt geschäftsunfähig, wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, also solange das Kind sechs Jahre alt oder jünger ist.

Gemäß §§ 187 Abs. 2 S. 1, 188 Abs. 2 Var. 2 BGB endet die altersbedingte Geschäftsunfähigkeit mit Ablauf des letzten Tages (d.h. um 24 Uhr) des siebten Lebensjahres. Ab 00:00 Uhr am siebten Geburtstag des Kindes ist das Kind dann nicht mehr geschäftsunfähig, sondern gemäß § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig.

2. Geschäftsunfähigkeit wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit

Die Variante der krankenhaften Störung der Geistestätigkeit setzt neben a) einer solchen auch voraus, dass der Zustand krankhafter Störung b) nicht nur vorübergehender Natur ist und c) die freie Willensbestimmung ausschließt.

a) Krankhafte Störung der Geistestätigkeit

Von dem Begriff „krankhafte Störung der Geistestätigkeit“ erfasst sind Geisteskrankheit und Geistesschwäche.2

Beispiele:

Alkoholkonsum und Rauschgiftsucht begründen grundsätzlich keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit.3

Der Alkoholmissbrauch erreicht aber den Grad einer Störung der Geistestätigkeit, wenn er zu einer organischen Veränderung des Gehirns geführt hat, infolge dessen es zu einem Abbau der Persönlichkeit gekommen ist, der zum dauerhaften Ausschluss der freien Willensbildung geführt hat.4 (Ja, ich weiß, die Rechtsprechung wirft die verschiedenen Tatbestandsmerkmale heillos durcheinander.)

Manische Depressionen sind hingegen eine krankhafte geistige Störung  und führen bei Ausschluss der freien Willensbestimmung zur Geschäftsunfähigkeit.5

Geringe intellektuellen Fähigkeiten können eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit begründen. Dieswurde von der Rechtsprechung bspw. bei einem Menschen bejaht, der aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung einen Verbalintelligenzquotienten von 44 aufwies und nicht in der Lage war, einen Text vorzulesen oder Vorgelesenes wiederzugeben.6

b) Dauerzustand

Der Zustand darf nach seiner Natur nicht nur ein vorübergehender sein. Das bedeutet, er muss von gewisser Dauer sein.

Nur weil ein Zustand heilbar ist, ist er aber nicht automatisch vorübergehend. Benötigt die Heilung längere Zeit, ist der Zustand trotz der Heilbarkeit als dauerhaft anzusehen.7

Vorübergehend sind dagegen Alkohol- oder drogenbedingte Rauschzustände.8

Achtung: Gibt jemand, der unter einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leidet, eine Willenserklärung in einem sogenannten „lichten Augenblick“ ab, so ist diese wirksam. Denn nach dem Wortlaut des § 104 BGB muss der Betroffene sich in dem krankhaften Zustand befinden.9

c) Ausschluss der freien Willensbestimmung

Eine freie Willensbestimmung liegt vor, wenn eine freie Entscheidung aufgrund einer Abwägung des Für und Wider, eine sachliche Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist. Umgekehrt ist die freie Willensbedingung ausgeschlossen, wenn die Person fremden Willenseinflüssen unterliegt oder ihre Willensbildung durch unkontrollierte Triebe und Vorstellungen ähnlich mechanischen Verknüpfungen von Ursache und Wirkung bestimmt wird.10

Partielle Geschäftsunfähigkeit

In Einzelfällen kann eine sonst bestehende Geschäftsfähigkeit für einen gegenständlich beschränkten Kreis von Angelegenheiten ausgeschlossen sein. Dies nennt man „partielle Geschäftsunfähigkeit“.

Eine partielle Geschäftsunfähigkeit liegt vor, wenn es einer Person infolge einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nur in einem Lebensbereich unmöglich ist, ihren Willen frei und unbeeinflusst von der Störung zu bilden oder nach einer zutreffend gewonnenen Einsicht zu handeln.11

Dies hat die Rechtsprechung z.B. in einem Fall für eine Ehefrau bezogen auf ihr Scheidungsverfahren12 bejaht und in einem anderen Fall für einen Anwalt in Bezug auf einen bestimmten von ihm geführten Prozess13.

Ist ein Betreuter geschäftsunfähig?

Teilweise wird angenommen, dass ein Betreuter automatisch geschäftsunfähig sei. Das ist aber nicht richtig.

Ein Betreuter ist nicht zwingend geschäftsunfähig. Die Anordnung einer Betreuung im Sinne von § 1896 BGB hat keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten14. Auch in diesen Fällen kommt es maßgeblich allein auf das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen an.

Quellennachweise:

  1. MüKoBGB/Spickhoff, 8. Aufl. 2018, BGB § 104 Rn. 2.
  2. BGH Urt. v. 06.05.1965, Az.: III ZR 229/64, OLG München, Beschluss vom 4.11.2009 – 33 Wx 285/09; Schulze BGB/Dörner, 10. Aufl. 2019, § 104 Rn. 3.
  3. BayObLGZ 56, 377 (381 ff.) = BayObLG, Beschluß vom 30.10.1956, 1 Z 54/56; BayObLG, Beschluß vom 5.7.2002 – 1Z BR 45/01.
  4. OLG Naumburg, Beschluß vom 9. 12. 2004, Az.: 4 W 43/04.
  5. BGH Urt. v. 06.05.1965, Az.: III ZR 229/64; MüKoBGB/Spickhoff, 8. Aufl. 2018, § 104 Rn. 12.
  6. OLG Köln, Beschluss vom 24.01.2011, Az.: 11 U 199/10.
  7. MüKoBGB/Spickhoff, 8. Aufl. 2018, § 104 Rn. 13.)
  8. MüKoBGB/Spickhoff, 8. Aufl. 2018, § 104 Rn. 13.
  9. Jauernig/Mansel BGB, 17. Aufl. 2018, § 104 Rn. 7.
  10. BGH, Urteil vom 18.05.2001, Az.: V ZR 126/00.
  11. BGH, Urteil vom 18.05.2001, Az.: V ZR 126/00.
  12. BGH, Urteil vom 24. 9. 1955 – IV ZR 162/54.
  13. BGH, Urteil vom 13. 5. 1959 Az.: V ZR 151/58.
  14. Cypionka in NJW 1992, 207, 208 f.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia.

Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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