Anwälte brauchen Verkaufsargumente. Warum sollen Mandaten gerade zu mir gehen? Warum Arbeitgeber gerade mich einstellen?

Ein solches Argument kann ein Fachanwaltstitel sein. Aber lohnt sich das? Und bringt ein solcher Titel vielleicht sogar Nachteile mit sich? Ich habe in den letzten Jahren mit vielen Anwälten über diese Fragen gesprochen und möchte meine Erkenntnisse und Überlegungen mit Dir teilen.

Vorteile eines Fachanwaltstitels:

  • Ich lese für Juratopia schon seit Jahren regelmäßig Stellenangebote, um einen Überblick über den Markt zu behalten. Dabei ist mir aufgefallen, dass immer wieder Ausschreibungen einen Hinweis enthalten, wonach ein Fachanwaltstitel zumindest gerne gesehen ist. Das gilt vor allem für etwas spezialisierte Stellen.
  • Ein Fachanwaltstitel kann Mandanten noch mehr Vertrauen geben, wenn sie jemanden gerade für dieses Fachgebiet suchen. Durch den Titel hat der Mandant die Garantie, dass Du regelmäßig Mandanten in diesem Bereich betreust und Dich auch auf theoretischer Ebene gründlich damit beschäftigt hast. Gerade von Privatleuten habe ich schon öfter lobend die Anmerkung gehört, dass jemand ein Fachanwalt sei.
  • Mir wurde aber – entweder in Bezug auf den Fachanwaltstitel aber auch in Bezug auf eine Promotion – schon wiederholt von Partnern großer Kanzleien gesagt, dass diese Bedeutung mit Größe und Renommee der Kanzlei abnimmt. Das, so die Partner, liege einfach daran, dass dann der Kanzleiname als Marke schon viel trägt und die Teams oft von einem Partner geführt werden, der in seinem Gebiet ohnehin sehr renommiert ist.

    Für mich hört sich das schlüssig an. Natürlich heißt es aber nicht, dass ein Fachanwaltstitel dann nicht mehr hilfreich wäre und die Mandanten gerade unter den jüngeren Teammitgliedern nicht gerne einen Fachanwalt sehen.

  • Ein Fachanwaltstitel geht meistens mit einer Spezialisierung Deiner anwaltlichen Tätigkeit einher. Eine Spezialisierung erlaubt es Dir, Mandanten gezielter zu akquirieren und Fälle effizienter abzuarbeiten.
  • Natürlich wirst Du im Rahmen der Ausbildung zum Fachanwalt auf Deinem Spezialgebiet auch noch einiges dazulernen. Schließlich musst Du einen mindestens 120-stündigen Fachanwaltslehrgang absolvieren und die weiteren Voraussetzungen für die Erlangung des Fachanwalts erfüllen.
  • Nachteil eines Fachanwaltstitels:

    Einen Nachteil hat natürlich jede Spezialisierung: Man legt sich zunehmend fest. Beim Fachanwaltstitel verstärkt sich das noch, da er zentral in der Außenwahrnehmung steht.

    Durch einen Fachanwaltstitel wirst Du vor allem als Spezialist für ein bestimmtes Fachgebiet wahrgenommen. Mandanten könnten daraus den Umkehrschluss ziehen, dass Du Dich in anderen Gebieten nicht auskennst. Tatsächlich wurden mir entsprechende Äußerungen von Mandanten schon berichtet.

    Wenn Du z.B. in einer kleinen Kanzlei arbeitest und Ihr eine M&A-Transaktion betreuen sollt, wirkt Dein Fachanwaltstitel für Arbeitsrecht auf einmal vielleicht fehl am Platze (wenn es nicht gerade um arbeitsrechtliche Belange der Transaktion geht).

    Auch wenn Du Dich von der Ausrichtung her umorientieren willst, kann es sinnvoll sein, einen nicht mehr passenden Fachanwaltstitel abzulegen, um keine falschen Assoziationen hervorzurufen.

    Dieses Problem besteht aber natürlich nur in manchen Konstellationen und lässt sich im Übrigen gut lösen. Wenn Du z.B. als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in einer Wirtschaftskanzlei arbeitest, dann passt dieser Fachanwaltstitel in der Wahrnehmung der Mandanten wahrscheinlich zu den allermeisten Tätigkeiten, die Du in dieser Kanzlei auch tatsächlich übernimmst.

    Wenn Du aber tatsächlich zwei recht unterschiedliche Themenbereiche bearbeitest, dann kannst Du einfach in beiden Bereichen den Fachanwalt machen. Heutzutage kannst Du sogar bis zu drei Fachanwaltstitel gleichzeitig tragen [Stand August 2017].

    Alternativ kannst du in Deiner Außenpräsentation Deine Erfahrungen in dem Gebiet, in welchem Du keinen Fachanwalt hast, besonders hervorheben.

    Fazit

    Meiner Meinung nach gibt es eine Menge guter Gründe für die Ablegung eines Fachanwalts. Auf der anderen Seite ist auch der Fachanwalt kein Allheilmittel. Das Tragen eines Fachanwaltstitels ist untrennbar mit der Positionierung des Anwalts und der Kanzlei am Markt verbunden. Sie ist daher eine wichtige strategische Entscheidung, die mit der Kanzleistrategie in Einklang stehen sollte.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in Großkanzleien gearbeitet. Heute ist er Syndikusrechtsanwalt in einem DAX-Konzern.

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