In diesem Artikel zeigen wir anhand eines Beispiels, was der error in persona eines Mittäters für Folgen für die Strafbarkeit des anderen Mittäters hat.

Beispiel: A und B wollen mit Pistolen bewaffnet einen Supermarkt überfallen. Sie verabreden, auf etwaige Verfolger zu schießen, falls für einen von beiden die Festnahme drohe, und nehmen dabei die Tötung der getroffenen Person in Kauf. Beim Aufbrechen der Tür werden sie von C entdeckt und ergreifen die Flucht. Als A hinter sich Schritte hört, glaubt er, von C verfolgt zu werden und feuert auf die Person. Tatsächlich läuft aber B hinter ihm. Die Kugel streift lediglich den Hemdsärmel des B.

A hat sich unstreitig wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211, 22 StGB strafbar gemacht, da es sich bei seinem Irrtum aufgrund der Gleichwertigkeit der Tatobjekte um einen unbeachtlichen error in persona handelt. Weil er mit der Tötung des C seinen Diebstahl verdecken wollte, handelt es sich um einen Verdeckungsmord.

Umstritten wäre im genannten Beispiel jedoch die Strafbarkeit des B.

Da A den Schuss nicht selbst abgegeben hat, kann sich eine Strafbarkeit des A wegen versuchten Mordes oder Totschlags nur über die mittäterschaftliche Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB ergeben.

Im Rahmen des Tatentschlusses ist deshalb zu diskutieren, ob B der Mord des A mittäterschaftlich zugerechnet wird oder die Handlung des A dem B nicht zugerechnet wird, weil es sich hierbei um einen Mittäterexzess (siehe dazu auch den Artikel zum Mittäterexzess) handelt.

Es bestehen verschiedene Ansichten darüber, welche Auswirkungen hat: Zu der Frage, welche Auswirkungen der unbeachtliche Identitätsirrtum (error in persona) des einen Mittäters auf den anderen hat, werden folgende Ansichten vertreten:

h.M.: Gleichwertigkeitstheorie

Bei Gleichwertigkeit der Tatobjekte ist der error des persona des Mittäters auch für die übrigen Mittäter unbeachtlich.1

Argumente:

  • Der gemeinschaftliche Tatplan umfasste die Tötung eines Menschen. Eine solche ist auch eingetreten.
  • Das Risiko der fehlerhaften Konkretisierung durch einen Mittäter ist dem Szenario immanent.
  • Die Verwechslung liegt innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren.2
  • Beim fahrlässigen Exzess handelt es sich lediglich um einen Motivfehler.3
  • Überlässt ein Mittäter dem anderen die Konkretisierung der Tat, kann er nachher nicht behaupten, so habe er die Tat nicht gewollt.4

Mindermeinung: Konkretisierungstheorie

Wenn nach dem Tatplan ein Opfer konkretisiert ist, erstreckt sich der gemeinsame Tatplan nur auf dieses, so dass der Schuss auf ein anderes Opfer nicht mittäterschaftlich zugerechnet werden kann. In unserem Beispiel erstreckte sich der Tatplan nur Vorsatz auf das Erschießen eines Verfolgers. Nach der Konkretisierungstheorie stellt deshalb der Schuss auf B einen Mittäterexzess des A dar, der B nicht zuzurechnen ist.

Argumente:

  • Der Tatplan wurde – sei es auch nur versehentlich – überschritten, was die Zurechnung entfallen lässt.
  • Es ist widersprüchlich, den gemeinsamen Tatplan als Mindestvoraussetzung für mittäterschaftliche Zurechnung zu nutzen, gleichzeitig aber etwas zuzurechnen, was nicht vom Tatplan umfasst ist.5
  • Für den Mittäter stellt sich die Tat nicht als error in persona, sondern als fehlgegangene Tat (aberratio ictus) dar.

Folgeproblem im Beispielsfall: Versuchter Mord durch B an sich selbst?

Folgt man der herrschenden Gleichwertigkeitstheorie, stellt sich das Folgeproblem, ob der versuchte Mord dem B nicht zugerechnet werden kann, weil er selbst das Opfer ist.

Nach dem BGH steht dieser Umstand einer Bestrafung nicht entgegen. B macht sich des untauglichen Versuchs des Mordes an sich selbst schuldig.6 Dass auch ein untauglicher Versuch strafbar sei, zeige § 23 Abs. 3 StGB.

Die Gegenansicht lässt sich natürlich ebenfalls vertreten: Da die (versuchte) Selbsttötung nicht strafbar ist, könne dieses Ergebnis auch nicht über eine mittäterschaftliche Zurechung erreicht werden.7

Schlusswort von Lucas

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Quellennachweise:

  1. BGH, Urteil vom 23.1.1958, Az.: 4 StR 613/57.
  2. BGH, Urt. v. 1.8.2018, Az.: 3 StR 651/17.
  3. BGH, Urt. v. 1.8.2018, Az.: 3 StR 651/17.
  4. BGH, Urt. v. 1.8.2018, Az.: 3 StR 651/17.
  5. Jäger, in: JA 2019, 467, 468
  6. BGH, Urteil vom 23. 1. 1958 – 4 StR 613/57.
  7. dazu Seher, Grundfälle zur Mittäterschaft, JuS 2009, 304, 306.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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