Dieser Beitrag ist Teil 8 der Artikelserie Als Jurist in den Traumjob.

Ein Vorstellungsgespräch sollte immer auf Augenhöhe stattfinden. Dein künftiger Arbeitgeber checkt Dich im Bewerbungsverfahren gründlich durch. Prüfe Du ihn ebenso gründlich auf Herz und Nieren:

  • Wie viel wirst Du hier lernen?
  • Wie ist die Betreuung?
  • Wie sind die Aufstiegschancen?
  • Wie ist das Betriebsklima?
  • Wie ist die Arbeitsbelastung?

Das Vorstellungsgespräch gibt Dir eine gute Chance, diese Dinge herauszufinden. Allerdings reicht es nicht, einfach irgendwelche Fragen zu stellen. Wenn Du Dich z.B. bei einer größeren Kanzlei bewirbst und einen Partner fragst:

„Wie ist bei Ihnen die Work-Life-Balance?“

Dann werden viele antworten:

„Wir arbeiten schon viel, schließlich wollen wir erstklassige Beratung liefern. Eine gesunde Work-Life-Balance ist uns aber wichtig. Natürlich gibt es Phasen, in denen viel zu tun ist. Wir achten aber darauf, dass es auch Phasen mit weniger Auslastung gibt.“

Das ist natürlich ein erster Anhaltspunkt, aber doch noch reichlich unkonkret. Ich kenne Menschen, die alles was über 40 Stunden pro Woche hinaus geht als „viel“ bezeichnen. Andere empfinden 70 Stunden Wochen als normal.

Zwei Regeln für Deine Fragen

Um möglichst präzise Informationen zu bekommen, solltest Du zwei Grundregeln beachten:

1. Frage die richtige Person.
2. Stelle Deine Fragen ausreichend spezifisch.

Frage die richtige Person

Bei vielen Fragen ist es besser, sie an Mitarbeiter in Deiner zukünftigen Position zu richten als an die Chefs. Das gilt ganz besonders für Fragen nach den Arbeitszeiten. Die

Zum einen riskierst Du weniger, als wenn Du den Chef vielleicht zu aggressiv ausquetschst. Außerdem wissen Mitarbeiter oft besser Bescheid. Der Chef weiß vielleicht gar nicht so genau, wie er auf seine Mitarbeiter wirkt oder wann seine Mitarbeiter abends nach Hause gehen.

Deshalb solltest Du immer bitten, auch mit dem Team zu sprechen, falls das nicht ohnehin vorgesehen ist. Wenn Dir das verwehrt wird, wäre das ein No-Go (habe ich aber noch nie gehört).

Ein potenziell schlechtes Zeichen wäre es aber auch, wenn der Chef dabeibleibt und Dich nicht mit Teammitgliedern alleine lässt.

Teilweise äußern Referendare oder Berufseinsteiger die Sorge, dass Mitarbeiter ihnen nicht die Wahrheit sagen könnten. Schließlich wollen sie ihren Arbeitgeber nicht schlechtreden.

Das ist natürlich teilweise richtig. Wenn jemand es bei seinem Arbeitgeber furchtbar findet, wird er das wahrscheinlich nicht so direkt sagen.

Auf der anderen Seite, und das spielt Dir in die Hände, wollen Mitarbeiter einen potentiell zukünftigen Kollegen aber auch nicht belügen.

Es ist für sie ziemlich peinlich, wenn sie Dir erzählen, dass die Stimmung im Team super ist und Du jeden Abend um 6 nach Hause gehen kannst, Du dann aber später im Büro neben ihnen sitzt, jede Nacht bis nach Mitternacht arbeitest und ihr dabei vom Chef beschimpft werdet.

Deshalb wirst Du in der Regel zumindest Andeutungen zu negativen Empfindungen bekommen – diese gilt es dann richtig einzuordnen und ggf. auch nachzuhaken.

Frage ausreichend spezifisch

Wer allgemein fragt, bekommt auch allgemeine Antworten.

Wie ist Ihre Work-Life-Balance? – Es wird schon darauf geachtet.

Wie sind die Aufstiegschancen? – Gute Leute haben auch gute Chancen.

Wie ist das Arbeitsklima? – Gut.

Frage deshalb genauer. Spezifische Fragen an Mitarbeiter könnten etwa so aussehen:

„Nur um mal einen Eindruck zu bekommen, wie oft sind Sie zum Beispiel schätzungsweise zum Abendessen zu Hause?“

„Ca. 2 Mal pro Woche.“

„Okay, und um wieviel Uhr ist dann das Abendbrot?“

„Um 22 Uhr.“

„Und danach arbeiten Sie dann nochmal von zu Hause?“

„Ja.“

Teilweise liest man in Bewerbungsratgebern, dass man, um wirklich ehrliche Antworten zu bekommen, noch spezifischere Fragen stellen solle. In einem Ratgeber wird etwa die Frage „Wie oft waren Sie in der letzten Woche zum Abendessen zu Hause?“ empfohlen.

Davon würde ich abraten. Vielleicht bekommt man dann eine noch präzisere Antwort, aber so eine Frage wirkt schnell unverschämt. Der Gegenüber merkt schnell, dass man diese Frage so stellt, weil man seiner Antwort sonst nicht vertraut und fühlt sich wie ein Verdächtiger in einem Verhör.

In diesem Zusammenhang noch ein Tipp: Behandle alles als Teil des Bewerbungsprozesses. Zumindest in Großkanzleien ist es relativ üblich, dass Dir irgendwann gesagt wird, der offizielle Teil des Vorstellungsgesprächs sei jetzt vorbei und jetzt könntest Du „off-the-record“ mit ein paar Associates Mittagessen gehen.

In manchen Kanzleien und bei manchen Partnern ist das wirklich off-the-record. Ich kenne aber auch eine ganze Reihe von Fällen aus mehreren Kanzleien, in denen die Associates hinterher über das Mittagessen befragt wurden oder sogar unaufgefordert Feedback an die Partner gegeben haben – und teilweise auch eine Einstellung verhindert haben.

Es bleibt also ein gewisser Balance-Akt. Eine allgemeine Richtlinie kann sein, nicht zu personenspezifisch zu fragen.

Nach meiner Einschätzung kann man meist z.B. schon fragen, ob es in der Zusammenarbeit manchmal auch lauter wird. Ich würde aber nicht fragen, ob eine konkrete Person schon angeschrien wurde oder ob eine konkrete Person manchmal laut wird.

Interpretiere die Antworten

Wie gesagt, Mitarbeiter sind in solchen Gesprächen meist schon ehrlich. Sie werden sich aber in der Regel etwas zurückhaltend ausdrücken, da sie ihren Arbeitgeber nicht schlecht reden wollen. Stell Dir vor, Du würdest später zum Chef gehen und erklären, „Frau X hat gesagt, dass…“

Entsprechend solltest Du die Antworten interpretieren. Associates einer Kanzlei haben mir z.B. beim Bewerbungsmittagessen erzählt, dass es im Team manchmal „ein bisschen lauter“ werde.

Aus anderen Quellen habe ich später gehört, dass zwei Partner in dem Team ihre Associates immer wieder zusammenschreien.

Ideen für weitere Fragen

Vorgänger

Immer solltest Du nach etwaigen Vorgängern auf Deiner Position fragen. Mir wurde auf diese Fragen einmal erklärt, dass vor mir schon jemand auf dieser Position gewesen sei, aber nach sechs Monaten wieder gegangen sei. Ein Associate hat mir dann erzählt, dass der entsprechende Partner „sehr anspruchsvoll“ sei. Wenn man beide Informationen kombiniert, kann man schon gewisse Vermutungen anstellen.

Spaß bei der Arbeit

Eine ganz platte Frage, mit der ich viel Erfolg hatte, ist folgende:

„Macht’s Spaß?“

Einige Mitarbeiter haben sich extrem gewunden und konnten es nicht über sich bringen, zu behaupten, dass ihnen ihre Arbeit Spaß macht. Das sagt einem natürlich einiges.

Feedback-Kultur

Ich würde auch immer nach der Feedback-Kultur fragen. Auch hier weder zu allgemein, noch zu speziell.

Anbieten können sich z.B. Fragen wie:

„Wie und wann kommuniziert Chef X Feedback? Korrigiert er Arbeiten in track changes, gibt er unmittelbar Feedback, wenn er sich eine Arbeit angeschaut hat oder gibt er alle paar Monate ein Gesamtfeedback zur Leistung und Entwicklung der Mitarbeiter?“

Diese Fragen kannst Du übrigens auch gut dem Chef selbst stellen. Wenn Du Glück hast, bekommst Du antworten wie:

„Er schickt Dir Deine Arbeiten grundsätzlich mit Track Changes zurück, wenn etwas besonders gut oder schlecht war, spricht er mit Dir unmittelbar darüber und alle halbe Jahre gibt es ein formalisiertes Feedbackgespräch.“

Wenn es keine vernünftige Feedback-Kultur gibt, wirst Du hingegen eher ein allgemeines Rumgedruckse zurückbekommen. Wie sehr Du nachhaken willst, wenn Du keine befriedigende Antwort bekommst, ist ein bisschen Geschmackssache.

Wenn du zu viel nachhakst, kann es passieren, dass er sich in die Ecke gedrängt fühlt. Wenn Du die Stelle aber für den Fall, dass Du keine zufriedenstellenden Antworten bekommst, sowieso nicht willst, kannst Du das natürlich auch riskieren.

Aufstiegschancen

Wenn Du Aufstiegschancen und Karriereentwicklung beleuchten willst, versuche herauszubekommen, was Mitarbeiter tun, die eine Zeit lang im Unternehmen gewesen sind.

Welche Positionen halten sie im Unternehmen inne? Wenn sie gehen, wo landen sie? Achte hier besonders darauf, ob Dein Gesprächspartner Beispiele nennt oder sich in allgemeine Ausführungen flüchtet.

Auch dies ist eine Gruppe von Fragen, die Du gut dem Chef selbst stellen kannst. Allerdings solltest Du dabei nicht den Eindruck erwecken, dass Du das Unternehmen nur als Durchlaufstation für Deinen nächsten Karriereschritt siehst.

So, nun bist Du gut gerüstet für Deine Fragen im Bewerbungsgespräch. Denk dran, Deine Fragen beantwortet zu bekommen ist genauso wichtig wie selbst überzeugend zu antworten. Schließlich will nicht nur das Unternehmen den richtigen Mitarbeiter finden, sondern Du auch das richtige Unternehmen.

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Lucas

Dieser Beitrag ist Teil der Artikelserie als Jurist in den Traumjob.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in Großkanzleien gearbeitet. Heute ist er Syndikusrechtsanwalt in einem DAX-Konzern.

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