Definition der Duldungsvollmacht

Bei der Duldungsvollmacht handelt es sich um eine gesetzlich nicht geregelte, aber von der Rechtsprechung anerkannte Rechtsscheinvollmacht.

Nach dem BGH liegt eine Duldungsvollmacht vor, wenn der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, und der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist.1

Voraussetzungen2

Voraussetzung der Duldungsvollmacht ist somit, dass ein vollmachtloser Vertreter im Namen des Vertretenen aufgetreten ist, der Vertretene dies wusste und dennoch nicht unterbunden hat, obwohl ihm letzteres möglich gewesen wäre.

Außerdem muss der Geschäftsgegner gutgläubig auf die Vertretungsbefugnis vertrauen und dieses Vertrauen kausal für sein Handeln sein.

Nach der Rechtsprechung genügt ein einmaliges Auftreten, ein wiederholtes Auftreten ist jedenfalls nicht zwingend erforderlich.3

Schema zur Duldungsvollmacht

Aus diesen Voraussetzungen ergibt sich folgendes Prüfungsschema für die Duldungsvollmacht:4

1. (Nicht zwingend mehrfaches) Auftreten als Vertreter.

2. Der Vertretene hat Kenntnis davon.

3. Duldung durch den Vertretenen trotz Unterbindensmöglichkeit.

4. Gutgläubigkeit des Dritten, § 173 BGB analog.

Unterschied zwischen Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht

Nach herrschender Meinung handelt es sich sowohl bei der Duldungsvollmacht als auch bei der Anscheinsvollmacht um Rechtsscheintatbestände.5 Die Voraussetzungen sind aber unterschiedlich:

Während der Geschäftsherr das Auftreten des Vertreters für das Vorliegen einer Duldungsvollmacht kennen muss, genügt für die Annahme einer Anscheinsvollmacht schon fahrlässige Unkenntnis.

Dafür ist für das für das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht anders als für die Duldungsvollmacht ein mehrfaches Auftreten als Vertreter von gewisser Dauer erforderlich.6

Mehr zur Anscheinsvollmacht habe ich hier geschrieben.

Ein Beispiel zur Duldungsvollmacht

A und B schließen gemeinsam als Mieter einen Mietvertrag über ein Haus ab. A soll dabei in dem Haus wohnen, B unterschreibt nur aus „Bonitätsgründen“. A bewohnt sodann das Haus und bezieht Gas über die Grundversorgung. B bewohnt das Haus wie geplant nicht.

Der A und die B haben hier als Gesamtschuldner einen Gaslieferungsvertrag mit dem Grundversorger abgeschlossen. Indem A Gas verbrauchte, hat er das in Form einer sog. Realofferte erfolgte Angebot des Grundversorgers zur Gaslieferung sowohl im eigenen Namen als auch als Stellvertreter der B angenommen.

Die erforderliche Vertretungsmacht ergibt sich hier nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht. Indem die B den Mietvertrag unterzeichnete und den A im Anschluss daran ohne weitere Vereinbarungen in das Haus einziehen ließ, duldete sie es willentlich, dass er die – zur Nutzung zwingend erforderliche – Heizung in Betrieb nahm, hierdurch Gas verbrauchte und damit die Realofferte annahm.7

Anfechtung einer Duldungsvollmacht

Ob eine Duldungsvollmacht anfechtbar ist, ist umstritten.

Nach einer Ansicht ist eine Duldungsvollmacht nicht anfechtbar, weil sie kein Rechtsgeschäft sei und daher keine Willensmängel möglich seien.8

Nach der Gegenansicht ist eine Duldungsvollmacht (bei Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen) anfechtbar, weil sie als Rechtsscheinvollmacht nur soweit reichen könne wie eine „echte“ Vollmacht.9

Die Duldungsvollmacht in der Prüfung der Stellvertretung

Wenn Du wissen willst, wie Du die Prüfung der Duldungsvollmacht in die Gesamtprüfung zur Stellvertretung einbindest, schau Dir mein Prüfungsschema zur Stellvertretung an.

Quellennachweise:

  1. BGH Az.: VIII ZR 289/09
  2. MüKo BGB, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 106
  3. OLG Düsseldorf, Az.: I-5 U 127/12; OLG Frankfurt, Az.: 9 U 73/05
  4. vgl. zu den Voraussetzungen der Duldungsvollmacht etwa MüKo BGB, 8. Auflage 2018, § 167 Rn. 106 ff.
  5. strittig, s. im Detail MüKo BGB, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 95 f.
  6. BGH Az.: III ZR 183-96
  7. Beispiel nach BGH Az.:VIII ZR 313/13
  8. etwa Jauernig BGB, 17. Aufl. 2018, § 167 Rn. 9
  9. etwa MüKo BGB, 8. Aufl. 2018, § 167 Rn. 151

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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