Dieser Beitrag ist Teil 6 der Artikelserie Als Jurist in den Traumjob.

Diesen Teil der Bewerbungsserie widmen wir der letzten, großen Prüfung auf Deinem Weg zum Wunschjob, dem Bewerbungsgespräch – sozusagen Dein Endgegner.

Sven verrät Dir, wie das Interview abläuft, wie Du mit schwierigen Entscheider-Typen umgehst und wie Du auch auf Stressfragen passend antwortest.

Sven, ich würde sagen: Leg einfach los.

Sven:
Das mache ich doch gerne.

Mit dem Bewerbungsgespräch verbinden viele Bewerber einen bitteren Nachgeschmack. Vielleicht hat man es schon mal bis zum Bewerbungsgespräch geschafft. Aber was ist dann passiert?

Dann hat angeblich wieder ein einziger Kandidat besser gepasst. Dieser elendige Typ. Der taucht auch immer im falschen Moment auf, oder?

Ich zeige Dir deshalb, wie Du einen noch besseren Eindruck machst und gebe Dir eine kleine Übung, mit der Du selbst siehst, wie Du im Vorstellungsgespräch rüberkommst.

Die 4 häufigsten Arten von Bewerbungsgesprächen

Zuerst einmal: Es gibt nicht das eine typische Interview. Bewerbungsgespräche können sehr unterschiedlich ablaufen. Je nachdem, wie groß das Unternehmen ist, auf welche Position Du Dich bewirbst oder das wievielte Interview es ist, gibt es unterschiedliche Schwerpunkte.

Folgende vier Formen sind unabhängig voneinander und kommen nicht alle in einem Bewerbungsprozess vor. Lass sie uns kategorisieren. Das macht es Dir einfacher, zu erkennen, worauf Du achten musst. Am besten Du klärst vor Deinem nächsten Vorstellungsgespräch, was für ein Interview Dich erwartet.

#1: Das Screening Interview:

Das Screening-Interview ist ein 1-zu-1 Gespräch und dient dazu, die Spreu vom Weizen unter den Bewerbern zu trennen. Wenn Du ein Screening Interview hast, dann findet es ganz am Anfang Deines Bewerbungsprozesses statt.

Der Entscheider schaut dabei, ob Deine grundsätzliche Jobeignung gegeben ist und ob Deine Gehaltserwartung passt. Oft findet dieses Screening telefonisch statt.

Manchmal sogar unangekündigt und bevorzugt in den Abendstunden. Wenn also unerwartet das Telefon klingelt mit einer unbekannten Nummer, dann sei darauf gefasst, gleich ein kurzes Interview zu geben und halte Deine Bewerbungsmappe bereit.

Lucas:
Bei Kanzleipartnern habe ich schon wiederholt gehört, und einmal auch selbst erlebt, dass sie auch mal am späteren Abend (nach 22 Uhr) noch anrufen. Nicht unbedingt für ein Screening, aber z.B. um noch etwas zu besprechen oder um Dir ein Angebot zu machen.

Ich hatte an der Uni mal einen Kommilitonen, der zu diesem Zeitpunkt auf einer Party war und stockbesoffen ans Telefon gegangen ist. Peinlich und vermeidbar.

Du solltest in Bewerbungsphasen also jederzeit mit einem Anruf vom Arbeitgeber rechnen. Wenn es gerade ganz schlecht ist, gehe notfalls lieber gar nicht ans Telefon.

Sven:
Absolut. Selbst wenn es “nur” um die Zusage geht, startet man so nicht gerade mit einem idealen Eindruck. Dasselbe gilt natürlich auch für Anrufe am frühen Morgen. Wenn Du kein Morgenmensch bist, geh lieber nicht ran, als völlig verschlafen zu antworten: “Tschuldige, bin noch Student. Können wir gegen 11 telefonieren?”

Aber zurück zum Screening-Call: Die Dauer beträgt meist etwa 20-30 Minuten. Wichtig hierbei ist: In Unternehmen ist am anderen Ende oft kein Jurist, sondern ein Personaler.

Deshalb geht es in diesem Gespräch nicht um Dein fachliches Potenzial. Es geht also noch nicht darum, wie weit Du Dich entwickeln kannst. Das kann der Personaler gar nicht einschätzen. Und hier liegt auch schon die größte Gefahr.

Im Screening-Interview solltest Du Fachbegriffe nur vorsichtig verwenden. Was für Dich ganz normale juristische Vokabeln sind, hört sich für den Entscheider vielleicht an wie Fachchinesisch.

Das gefährdet den positiven ersten Eindruck. Heb Dir die Fachbegriffe auf für ein späteres Interview, wenn Du mit jemanden aus Deinem Spezialbereich sprichst. Nur der kann das auch wirklich wertschätzen.

#2:Das Auswahlgespräch:

Das Auswahlgespräch ist das, was viele Bewerber klassisch im Bewerbungsgespräch erwarten. Oft sind zum Zeitpunkt des Auswahlgesprächs noch viele Deiner Mitbewerber im Rennen und jetzt soll geschaut werden: Wer kommt weiter?

Die Dauer dieses Gesprächs beträgt meist etwa 60 Minuten. Im Unternehmen findet das Gespräch oft mit einem Personaler und einem fachlichen Vorgesetzten statt, in einer Kanzlei mit einem oder mehreren der Partner und manchmal zusätzlich mit Associates. Teilweise erwarten Dich auch an einem Tag mehrere etwas kürzere Gespräche mit verschiedenen Personen.

Nach dem anfänglichen Warmwerden gibt es beiderseits Fragen, wobei es wichtig ist, dass Du nicht nur brav antwortest, sondern auch eigene Fragen stellst. Dadurch zeigst Du Interesse und Führungsbereitschaft.

Welche Fragen Dich erwarten, verrate ich Dir gleich und in der nächsten Mail ausführlich. Zum Abschluss des Gesprächs werden nochmal die nächsten Schritte zusammengefasst und ein schöner Tag gewünscht.

#3: Der Recall:

Hast Du im Screening oder im Auswahlgespräch überzeugt, kommt oft eine zweite Runde. Die Spreu ist inzwischen vom Weizen getrennt und es sind in diesem Interview meist nur noch ein oder zwei Deiner Mitbewerber übrig.

Während es im Screening oder Auswahlgespräch nur um die grundsätzliche Passung ging, soll jetzt geschaut werden, welches Potenzial wirklich in Dir steckt. Dazu nimmt oft noch jemand aus der Fachabteilung oder ein anderer Partner an diesem Gespräch teil. Manchmal sitzt Du auch im allerersten Gespräch bereits mehreren Interviewern gegenüber.

Fachkräfte können Deine Kompetenz wirklich einschätzen und sie stellen Dir manchmal auch Fachfragen: Wie würden Sie Problem X lösen? Was halten Sie von Ansatz Y? Wie schätzen Sie Entwicklung Z ein?

Auch situative Fragen werden gern gestellt: Stellen Sie sich mal folgendes Szenario vor: A macht B und fragt Sie um Rat. Was antworten Sie? Oder denken Sie an Problemstellung Z. Wie gehen Sie damit um?

Fachfragen werden häufiger in klassischen Unternehmen und seltener in Kanzleien gestellt.

Manchmal ist dieses Gespräch auch als zweite Chance zu verstehen. Warst Du im ersten Gespräch angespannt, aber hast das durch andere Kompetenzen wettgemacht, will man jetzt nochmal schauen, ob Du nun entspannter bist und wirklich in die Kultur passt.

Beim Recall drückt der Entscheider kein Auge mehr zu. Jetzt wird geschaut, ob Du Deine Chance nutzt, um Selbstbewusstsein zu beweisen.

Zeige auch hier wieder, dass Du die Belange des Unternehmens und des Entscheiders ernst nimmst. Bekräftige Deinen Enthusiasmus für den Job. Zeige, dass dieser Schritt eine logische Weiterführung des roten Fadens Deiner bisherigen Berufslaufbahn darstellt.

#4: Multi-Interviews:

Oft hast Du mehrere Interviews vor Dir mit jeweils einer anderen Führungskraft oder einem anderen Kollegen. Wichtig hierbei ist zu erkennen, dass jeder von denen eine andere Agenda hat. Jeder versucht zu testen, ob Du zu ihm passt und künftig seine Interessen wirksam vertrittst.

Deshalb finde heraus, welche Rolle die Person innehat, leite daraus ab, was ihn oder sie beschäftigt und was die größten Bedenken sind. Sitzt Du einer künftigen Führungskraft gegenüber, so hat diese Person andere Absichten als künftige Kollegen.

Und Unternehmen achten oft stark darauf, wie Mitglieder des Teams, das Du künftig leiten oder in dem Du arbeiten sollst, auf Dich reagieren. Du musst Dich also flexibel auf die Person gegenüber einstimmen und Dich anpassen, um zu überzeugen.

Eins sollte Dich nicht wundern: Oftmals laufen die verschiedenen Multi-Interviews verdächtig ähnlich ab. Jeder Interviewer stellt die gleichen Fragen und Du kommst Dir schon vor, wie in einer Warteschleife.

Dadurch wird geschaut, ob Du allen dasselbe erzählst und eine konsistente Persönlichkeit zeigst. Die Kunst besteht hier darin, jeden Interviewer neu von Dir zu überzeugen. Denn die Entscheidung treffen Sie am Ende alle gemeinsam.

Wie Du mit schwierigen Entscheider-Typen umgehst

Als nächstes möchte ich auf zwei typische Arten von schwierigen Gesprächspartnern im Bewerbungsgespräch eingehen. Das Gespräch wird oft geleitet von jemandem, der nicht professionell dafür ausgebildet wurde.

Die Folge ist dann, dass der Gesprächsverlauf Dich etwas überraschen kann: Du hast z.B. nicht damit gerechnet, dass der Entscheider stundenlang selbst quatscht. Neben dem ausgeglichenen Interviewleiter solltest Du deshalb noch zwei weitere erkennen: Die Tratschtanten und die Verhörer.

Die Tratschtanten:

Was zeichnet die Tratschtanten aus? Die Tratschtanten unter den Interviewleitern reden viel zu lange selber und wenn sie dann Fragen stellen, sind diese oftmals irrelevant für die Position.

Zum Beispiel: Was denkt denn Ihr Partner über ihre hohe Reisebereitschaft? Oder er stellt sogar illegale Fragen: Planen Sie schwanger zu werden? Es ist nicht ungewöhnlich, dass Du in den ersten 30 Minuten gar nicht zu Wort kommst.

Die meisten denken jetzt: Super, wenn ich nichts sage, kann ich auch nichts falsch machen. Doch das ist ein Trugschluss. Und der kostet Dich gern mal den neuen Job.

Besonders, wenn du wenig von Dir erzählen kannst, legt der Entscheider wirklich alles, was Du sagst, auf die Goldwaage. Du musst es in dieser Situation also trotzdem schaffen, eine Beziehung zum Gegenüber herzustellen.

Deshalb: Bitte darum, Dir Notizen machen zu dürfen und schreib mit, während der andere spricht. Du musst hier sehr aufmerksam sein. Notiere Dir auch schon Fragen, die Dir während des Zuhörens kommen, oder hake gezielt nach, wenn Dich etwas interessiert.

Schlüpfe in die Rolle eines Agenten: Was kannst Du aus dem Gesagten für Schlüsse ziehen? Was ist dem Interviewer wichtig? Was mag er nicht? Und wenn Du das weißt: Wie kannst Du das bei Deiner persönlichen Vorstellung nutzen, wenn es soweit ist?

Während Du zuhörst, achtest Du darauf, Dinge, die dem Entscheider wertvoll scheinen, mit Deinem Profil zu verbinden. Markiere mit einem Pluszeichen in Deinen Notizen, wo Du Stärken hast, die für ihn relevant erscheinen.

Darauf kannst du später tiefer eingehen. So kannst Du Deine Selbstpräsentation auf den Entscheider anpassen und Deine Chancen auf den Recall verbessern.

Die Verhörer:

Was machen die Verhörer? Die Verhörer unter den Entscheidern sind redefaul. Sie kommentieren das, was Du sagst nur mit Bestätigungslauten, wie: „Aha. OK. Gut.“ und stellen sonst fast durchweg Fragen.

Dadurch gleicht das Gespräch dann eher einem Verhör. Es fehlt nur noch der leere Raum, mit Tisch und Lampe, die direkt in Dein Gesicht strahlt.

Wie bei den Tratschtanten ist der Redeanteil auch hier extrem unausgewogen. Hier allerdings andersrum. Diesmal redest Du 80% der Zeit und Dein Gegenüber 20%.

Wenn Du nicht vorbereitet bist, bringt Dich das richtig ins Schwitzen. Der Verhörer vergisst manchmal, dass beide Seiten sich kennenlernen sollen und dass beide Seiten auch etwas von sich zeigen sollen.

Das ist wie beim Flirten. Ein Gespräch kann niemals auf Augenhöhe stattfinden, wenn nur einer fragt und der andere antwortet. Doch fast alle Bewerber denken, das sei normal: Ein Vorstellungsgespräch muss doch so sein und meine Fragen stelle ich erst am Ende, oder?

Nein. Denk dran: Du bist kein Bittsteller. Das Unternehmen will auch etwas von Dir. Deshalb solltest Du den Redeanteil schon früher ausgleichen, indem Du Fragen direkt in das Gespräch einbaust.

Merk Dir: Wer fragt der führt. Wenn Du fragst, bestimmst Du die Richtung des Gesprächs und machst aus dem Verhör einen Dialog. Das zeigt Kreativität, soziale Kompetenz und Interesse.

Jetzt sagst Du vielleicht, witzig Sven – in welche Richtung soll ich denn das Gespräch führen? Ganz einfach: Am besten lenkst Du es in Richtung Deiner Stärken.

Da, wo Du die besten Beispiele erzählen kannst. Wenn der Entscheider fragt: “Wieso passen Sie gut zu uns?” oder “Warum sollen wir gerade Sie nehmen?” dann zählst Du Deine Schlüsselpunkte auf, die er schon aus dem Anschreiben und Kurzprofil kennt und anschließend fragst Du, ob Du noch näher drauf eingehen sollst.

Oder Du fragst, ob das so ungefähr die Stärken sind, die er für die Position sucht und was ihm noch helfen würde, sich für Dich zu entscheiden.

Lucas:
Wow, das war wieder viel Input. Dabei ist Sven noch lange nicht fertig, oder?

Sven:
Ich fange gerade erst an. Als nächstes habe ich die 5 häufigsten Fragetypen in Bewerbungsgesprächen für Dich und wie Du Dich darauf vorbereitest. Außerdem will ich Dir die wichtigste Regel im Vorstellungsgespräch zeigen.

Lucas:
Das kann man sich nicht entgehen lassen. Lies gleich weiter.

Dieser Beitrag ist Teil der Artikelserie als Jurist in den Traumjob.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in Großkanzleien gearbeitet. Heute ist er Syndikusrechtsanwalt in einem DAX-Konzern.

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