Der Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung ist in § 823 Abs. 1 BGB geregelt. Diese Vorschrift begründet einen Anspruch auf Schadensersatz bei der Verletzung bestimmter absolut geschützter Rechtsgüter.

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB.Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema mit Erläuterungen und Klausurproblemen.

Zunächst ein Kurzschema zu § 823 Abs. 1 BGB für den ersten Überblick:

I. Rechtsgutsverletzung

1. Leben

2. Körper/Gesundheit

3. Freiheit

4. Eigentum

5. Sonstiges Recht

II. Verletzungshandlung

III. Haftungsbegründende Kausalität

1. Äquivalenz

2. Adäquanz

3. Objektive Zurechnung (Schutzzweck der Norm)

IV. Rechtswidrigkeit

V. Verschulden

VI. Schaden

VII. Haftungsausfüllende Kausalität

Sodann ein ausführliches Schema zu § 823 Abs. 1 BGB mit Definitionen und Klausurproblemen:

I. Rechtsgutsverletzung

1. Leben

2. Körper/Gesundheit

Körperverletzung ist jeder unbefugte, weil von der Einwilligung des Rechtsträgers nicht gedeckte, Eingriff in die Integrität der körperlichen Befindlichkeit.1

  • P: für die Re-Implantation vorgesehene Körperbestandteile
    Nach dem BGH sind vorläufig vom Körper abgetrennte, für die Re-Implantation vorgesehene Körperbestandteile Teile des Körpers.2 In der Literatur wird dies abgelehnt.3

Gesundheitsverletzung ist jedes Hervorrufen eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustandes.4

  • P: Schockschäden
    Diese sind nach dem BGH als Gesundheitsverletzung anzusehen, wenn das psychische Leiden sich in körperlichen Beschwerden niedergeschlagen hat, die den Charakter eines schockartigen Eingriffs in die Gesundheit tragen. Die Beeinträchtigung des Dritten muss einen Krankheitswert erreichen.5

3. Freiheit

Es ist allein körperliche Bewegungsfreiheit geschützt, also die Möglichkeit, einen bestimmten Ort zu verlassen.6

4. Eigentum

Unter den Eigentumsbegriff fallen nur körperliche Gegenstände, nicht auch Forderungen.7

Eigentumsverletzungen sind Einwirkungen auf die Sache selbst, die den Eigentümer daran hindern, mit ihr seinem Wunsch entsprechend zu verfahren.8

  • Dazu zählen vor allem die Zerstörung bzw. Beschädigung9 und der Entzug der Sache.
  • P: Nutzungsbeeinträchtigungen ohne körperliche Einwirkung auf die Sache
    Nach der Rechtsprechung können Nutzungsbeeinträchtigungen als Eigentumsverletzung angesehen werden, wenn die Verwendungsmöglichkeit der Sache nahezu aufgehoben wird.10 a.A. teilweise die Literatur.11
  • P:Weiterfressender Mangel“
    Ist eine Sache schon bei deren Erwerb mangelhaft, liegt nach der Rechtsprechung eine Eigentumsverletzung vor, wenn der bei Erwerb bestehende Mangel mit dem später entstehenden Endschaden nicht stoffgleich ist. An der Stoffgleichheit fehlt es, wenn sich der Mangel auf das mangelfreie Eigentum des Erwerbers ausdehnt und damit das Integritätsinteresse (und nicht nur das Äquivalenzinteresse) des Erwerbers betroffen ist.12 Die Literatur vertritt teilweise andere Lösungen.13

5. Sonstiges Recht

Hierzu zählen weitere einzelne Persönlichkeitsrechte und eigentumsähnliche Rechte.14

Einzelne sonstige Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB:

  • dingliche Rechte15
  • Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers16
  • Immaterialgüterrechte17
  • Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei betriebsbezogenen Eingriffen18
  • allgemeines Persönlichkeitsrecht19
  • berechtigter unmittelbarer Besitz20
  • umstritten: nichtberechtigter Besitz21

II. Verletzungshandlung

Verletzungshandlung kann nur ein der Steuerung durch Bewusstsein und Willen unterliegendes und insofern grundsätzlich beherrschbares menschliches Verhalten sein.22

  • Bei unwillkürlichen, körperlichen Reflexen oder einer physischen Zwangslage (vis absoluta) liegt keine taugliche Verletzungshandlung vor.23

Ein Unterlassen kann nur bei einer Rechtspflicht zur Abwendung der Gefahrerhöhung24 eine Verletzungshandlung darstellen.

  • insb. Verkehrssicherungspflicht, Garantenstellung oder Rechtspflicht zum Handeln aus Gesetz

III. Haftungsbegründende Kausalität

Die haftungsbegründende Kausalität meint den Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Rechtsgutsverletzung.25

1. Äquivalenz (conditio sine qua non)

2. Adäquanz

3. Objektive Zurechnung (Schutzzweck der Norm)

Die Rechtsgutsverletzung ist vom Schutzzweck der Norm erfasst, wenn das verletzte Rechtsgut in den sachlichen Schutzbereich der einschlägigen deliktischen Sorgfaltspflicht fällt und der Träger dieses Interesses zu dem Personenkreis zählt, zu dessen Schutz die verletzte Sorgfaltspflicht besteht.26

  • P: Herausforderungsfälle
    Abgrenzung zur Selbstschädigung erforderlich, bei welcher die objektive Zurechnung entfällt. Eine die objektive Zurechnung begründende Herausforderung ist anzunehmen, wenn der Schädiger bei dem Geschädigten eine mindestens im Ansatz billigenswerte Motivation zu dessen selbstgefährdendem Verhalten gesetzt hat, die etwa auf Pflichterfüllung, Abwehr oder Nothilfe beruhen kann.27

IV. Rechtswidrigkeit

Wird grundsätzlich durch Erfüllung des Tatbestandes indiziert.

Ausnahme: Rahmenrechte (Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb): Dort muss eine Interessenabwägung erfolgen. Rechtswidrig ist der Eingriff nur, wenn das Schutzinteresse des Geschädigten die schutzwürdigen Belange des Schädigers überwiegt.28

Entfällt bei Rechtfertigungsgründen: u.a. Notwehr (§ 227 BGB, § 32 StGB), Notstand (§§ 228, 904 BGB, § 34 StGB), Selbsthilfe (§ 229 BGB), Einwilligung (§ 228 StGB).

V. Verschulden

1. Vorsatz oder Fahrlässigkeit, § 276 BGB

2. Verschuldensfähigkeit, §§ 827, 828 BGB

VI. Schaden

Vergleich der tatsächlichen Vermögenslage nach Eintritt des schädigenden Ereignisses mit der hypothetischen Vermögenslage ohne dessen Eintritt (Differenzhypothese).

  • Materielle Schäden
  • Immaterielle Schäden nach Maßgabe von § 253 BGB
  • Ggf. Sonderregeln für den Umfang deliktischer Schadensersatzansprüche (§§ 842 ff. BGB)
  • Ggf. Berücksichtigung eines Mitverschuldens, § 254 BGB

VII. Haftungsausfüllende Kausalität

Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden

  • Wenn problematisch: Äquivalenz, Adäquanz, Lehre vom Schutzzweck der Norm

Klausurhinweis

Denk an den grundsätzlichen Vorrang der Bestimmungen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 989 ff. BGB). Dadurch kann die Anwendbarkeit des § 823 BGB gesperrt sein.

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zum Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. vgl. BGH, Urteil vom 17.9.2013, Az. VI ZR 95/13.
  2. vgl. BGH, Urteil vom 9.11.1993, Az. VI ZR 62/93.
  3. vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 BGB Rn. 196.
  4. zum Beispiel HIV-Infizierung, vgl. BGH, Urteil vom 14.6.2005, Az. VI ZR 179/04.
  5. BGH, Urteil vom 11.5.1971, Az.: VI ZR 78/70.
  6. Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 823 BGB Rn. 5.
  7. vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 BGB Rn. 242.
  8. Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 823 BGB Rn. 6.
  9. BGH, Urteil vom 4.2.1964, Az. VI ZR 25/63.
  10. vgl. hierzu den „Fleet-Fall“ des BGH: Urteil vom 21.12.1970, Az. II ZR 133/68; MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 BGB Rn. 270.
  11. vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 BGB Rn. 273.
  12. vgl. zu den weiterfressenden Mängeln die maßgeblichen Urteile des BGH: Schwimmschalter-Fall: Urteil vom 24. 11. 1976, Az. VIII ZR 137/75; Gaszug-Fall: Urteil vom 18. 1. 1983, Az. VI ZR 310/79; Kompressor-Fall: Urteil vom 14. 5. 1985, Az. VI ZR 168/83.
  13. dazu MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 Rn. 284.
  14. Jauernig BGB, 17. Auflage 2018, § 823 BGB Rn. 12.
  15. BGH, Urteil vom 21.11.2000, Az. VI ZR 231/99.
  16. BGH, Urteil vom 11.11.1970, Az. VIII ZR 242/68.
  17. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 Rn. 318.
  18. BGH, Urteil vom 9.12.1958, Az. VI ZR 199/57.
  19. BGH, Urteil vom 25.5.1954, Az. I ZR 211/53.
  20. BGH, Urteil vom 29.1.2019, Az. VI ZR 481/17.
  21. vgl. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 Rn. 327.
  22. BGH, Urteil vom 12.2.1963, Az.: VI ZR 70/62.
  23. vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. 6. 2016, Az. I-6 U 203/15; MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 BGB Rn. 66.
  24. BGH, Urteil vom Urt. v. 10.7.2012, Az. VI ZR 341/10.
  25. vgl. BGH, Urteil vom 22.5.2012, Az. VI ZR 157/11.
  26. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 7.6.1968, Az. VI ZR 1/67.
  27. BGH, Urteil vom 12.3.1996, Az. VI ZR 12/95.
  28. vgl. u.a. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 823 BGB Rn. 417.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia.

Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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