Der Straftatbestand des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer ist in § 316a StGB geregelt. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus § 23 Abs. 1 StGB, da der räuberische Angriff auf Kraftfahrer ein Verbrechen ist. § 316a Abs. 1 StGB enthält den minder schweren Fall und § 316a Abs. 3 StGB eine Erfolgsqualifikation.

§ 316a StGB schützt sowohl Eigentum und Vermögen des Tatopfers als auch die Sicherheit des Kraftfahrverkehrs auf den Straßen.1

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316a StGB. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zu § 316a StGB mit Definitionen

Zunächst ein Kurzschema zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer nach § 316a StGB:

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Tatopfer: Führer eines Kraftfahrzeugs oder Mitfahrer

2. Tathandlung: Verüben eines Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit

3. Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz

2. Absicht, einen Raub, einen räuberischen Diebstahl oder eine räuberische Erpressung zu begehen

B. Rechtswidrigkeit

C. Schuld

D. Strafe: Minder schwerer Fall nach § 316a Abs. 2 StGB?

Sodann ein ausführliches Schema zu § 316a StGB mit Definitionen und Klausurproblemen:

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Tatopfer: Führer eines Kraftfahrzeugs oder Mitfahrer

Kraftfahrzeug meint nach h.M. Kraftfahrzeuge im Sinne der §§ 1 Abs. 2 StVG, 248b Abs. 4 StGB2, d.h. alle Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.

Führer eines Kraftfahrzeugs im Sinne des § 316a StGB ist, wer das Kraftfahrzeug in Bewegung zu setzen beginnt, es in Bewegung hält oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist.3

  • Wer sich außerhalb des Fahrzeugs befindet, kann nicht Führer des Fahrzeugs sein.4
  • Auch wenn das Fahrzeug nicht in Bewegung ist, ist Führer des Fahrzeugs, wer als Fahrer mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst ist, etwa bei einem verkehrsbedingten Halt (etwa Halt an der roten Ampel oder bei einem Stau).5
  • Wenn der Fahrer nicht verkehrsbedingt hält und6 den Motor ausschaltet, ist er nicht mehr Führer des Kraftfahrzeugs (z.B. der Fahrer, der noch im geparkten Auto sitzt).7

Mitfahrer sind etwa der Beifahrer, Fahrgäste oder auch zur Mitfahrt Genötigte.8   

Das Tatopfer muss die Führer- oder Mitfahrereigenschaft im Tatzeitpunkt, d.h. nicht im Zeitpunkt des Tatentschlusses, sondern bei Verüben des Angriffs haben.9

2. Tathandlung: Verüben eines Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit

Ein Angriff auf Leib oder Leben setzt eine unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung voraus, bei der die Gefahr einer nicht ganz unerheblichen Verletzung besteht.10 

Einen Angriff auf die Entschlussfreiheit des Opfers verübt, wer in feindseliger Absicht auf dieses Rechtsgut einwirkt.11

  • Umfasst sind sämtliche Formen der Nötigung, soweit diese nicht mittels Gewalt gegen Leib oder Leben begangen werden.12
  • Der verübte Angriff muss sich nicht bereits unmittelbar gegen das Eigentum bzw. Vermögen des Opfers richten.13
  • Das Opfer muss den objektiven Nötigungscharakter wahrnehmen – die feindliche Willensrichtung des Täters braucht das Opfer dagegen nicht erkannt zu haben.14

Klausurproblem: List vs. Nötigung von Kraftfahrern

  • Nicht ausreichend ist es , wenn auf den Führer eines Kraftfahrzeugs mit List eingewirkt wird, um ihn in eine Situation zu bringen, in der ein Raub durchgeführt werden soll. Kein räuberischer Angriff auf Kraftfahrer nach § 316a StGB daher, wenn Fahrgäste den Taxifahrer auf einen einsamen Waldweg fahren und dort anhalten lassen, um ihn nach Ausstellen des Motors zu überfallen.15
  • Anders aber bei einer vorgetäuschten Polizeikontrolle16 oder dem Aufstellen eines Stoppschildes17, da dies jeweils Nötigungscharakter hat.

3. Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs

Der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer muss unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen werden. 

In objektiver Hinsicht ist das der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann.18 

Wenn sich das Fahrzeug in Bewegung befindet, ist die Ausnutzung regelmäßig gegeben, weil dem Fahrer die Gegenwehr gegen den Angriff infolge der Beanspruchung durch das Lenken des Fahrzeugs erschwert ist.19

Auch bei einem verkehrsbedingten Halt wird man die Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs regelmäßig bejahen können. 20

Klausurproblem: Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bei nicht verkehrsbedingtem Halt

Bei einem nicht verkehrsbedingten Halt kann ein Führen eines Kraftfahrzeugs vorliegen, wenn der Motor noch läuft (s.o.).

Problematisch ist dann aber regelmäßig das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs.

  • Nach dem BGH müssen beim nicht verkehrsbedingten Halt neben der Tatsache, dass der Motor des Fahrzeugs noch lief, weitere verkehrsspezifische Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass das Tatopfer als Kfz-Führer zum Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt war, dass es gerade deshalb leichter Opfer des räuberischen Angriffs wurde und der Täter dies für seine Tat ausnutzte.21
  • Es genügt nicht, dass lediglich die Abwehrmöglichkeiten des Kraftfahrzeugführers durch die Enge im Fahrzeug eingeschränkt sind22.
  • Danach kann ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs beim nicht verkehrsbedingten Halt unter anderem vorliegen wenn der Angriff „unmittelbar” im Zusammenhang mit dem Anhaltevorgang verübt wird, wenn sich das Fahrzeug nach dem Anhalten mit laufendem Motor während der heftigen Gegenwehr seines angegriffenen Führers plötzlich in Bewegung setzt, wenn der Fahrer das Automatikgetriebe auf Dauerbetrieb belässt und mit dem Fuß auf der Bremse bleibt, um das Weiterrollen des Fahrzeugs zu verhindern oder wenn der Fahrer nach einem Blick in den Rückspiegel, um zu prüfen, ob an dieser Stelle ein Anhalten gefahrlos möglich ist, sein Fahrzeug mit laufendem Motor auf einer schmalen Kreisstraße ohne Randstreifen anhält, um einen Anhalter aussteigen zu lassen.24

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz

Erforderlich ist hier zumindest bedingter Vorsatz bzgl. des objektiven Tatbestands.

2. Absicht, einen Raub, einen räuberischen Diebstahl oder eine räuberische Erpressung zu begehen

Absicht setzt zielgerichtetes Handeln voraus, bei dem der Täter alle objektiven und subjektiven Merkmale einer der genannten Raubtaten zumindest als Eventualvorsatz in seinen Willen aufgenommen haben muss.25

  • Der geplante Überfall muss später nicht tatsächlich stattfinden. Entscheidend ist, was der Täter im Augenblick des Unternehmens plant.26
  • Die Absicht, eines der Raubdelikte zu begehen, muss zwar nicht unbedingt bei Beginn, spätestens aber vor Abschluss der Angriffsverübung bestehen.27

B. Rechtswidrigkeit

Allgemeine Rechtfertigungsgründe

C. Schuld

Allgemeine Entschuldigungsgründe

D. Strafe

Hier ist ggf. zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a Abs. 2 StGB vorliegt.

Das ist der fall, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.28

Bei einem minder schweren Fall beträgt die Strafe nach § 316a Abs. 2 StGB Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und 10 Jahren.

Konkurrenzen

Zwischen § 316a StGB und den §§ 249 ff. StGB besteht Idealkonkurrenz.29 Eine versuchte räuberische Tat tritt aber als typische Begleittat hinter § 316a zurück.30

Prüfung der Erfolgsqualifikation

Falls die Erfolgsqualifikation des § 316a StGB in Frage kommt, kannst Du diese als römisch II. nach dem Tatbestand prüfen. Im subjektiven Tatbestand musst Du dann zusätzlich Leichtfertigkeit bzgl. der schweren Folge prüfen.

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer nach § 316a StGB hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern. 

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Quellennachweise:

  1. vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2003, Az.: 4 StR 150/03.
  2. BGH, Urt. v. 24.06.1993, Az.: 4 StR 217/93; MüKo StGB, § 263a Rn. 16.
  3. vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2003, Az.: 4 StR 150/03.
  4. vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2003, Az.: 4 StR 150/03.
  5. BGH, Urteil vom 07.05.1974, Az.: 5 StR 119/74).
  6. BGH, Urteil vom 23.2.2006, Az.: 4 StR 444/05.
  7. vgl. BGH, Urteil vom 07.05.1996, Az.: 4 StR 185/96.
  8. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 316a StGB Rn. 10.
  9. vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2003, Az.: 4 StR 150/03.
  10. vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.1987, Az.: 4 StR 324/87.
  11. vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.1987, Az.: 4 StR 324/87.
  12. vgl. BGH, Beschluss vom 14.07.1987, Az.: 4 StR 324/87.
  13. vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2003, Az.: 4 StR 150/03.
  14. vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2003, Az.: 4 StR 150/03.
  15. vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2015, Az.: 4 StR 607/14.
  16. vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2015, Az.: 4 StR 607/14.
  17. vgl. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 316a StGB Rn. 5.
  18. ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteil vom 15.02.2018, Az.: 4 StR 506/17.
  19. vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2015, Az.: 4 StR 607/14.
  20. vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22.8.2012, Az.: 4 StR 244/12.
  21. BGH, Beschluß vom 28. 6. 2005, Az.: 4 StR 299/04.
  22. vgl. BGH, Beschluss vom 19.10.1999, Az.: 4 StR 384/99.
  23. vgl. BGH, Beschluss vom 19.10.1999, Az.: 4 StR 384/99.[/efn_Note]
  24. In subjektiver Hinsicht ist ausreichend, dass sich der Täter der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist. Nicht erforderlich ist, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht.23BGH, Urteil vom 28.04.2016, Az.: 4 StR 563/15).

  25. BGH, Beschluss vom 10.09.1996, Az.: 4 StR 416/96.
  26. BGH, Urteil vom 19.11.1985, Az.: 1 StR 489/85.
  27. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 316a StGB Rn. 16.
  28. BGH, Urteil vom 09.11.1995, Az.: 4 StR 507/95.
  29. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 316a StGB Rn. 21.
  30. BGH, Urteil vom 05.09.1974, Az.: 4 StR 354/74.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia.

Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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